auch in Wien das Gefühl allgemein, dass etwas geschehen müsse, um den gewerblichen Kreisen höhere Bildung zuzuführen, ihren Geschmack zu verbessern, wie man damals sagte. Allein über die Mittel dazu bestand keine Klarheit, die einzelnen Anstrengungen entbehrten eines gemeinsamen Mittelpunktes und mussten deshalb unwirksam bleiben, wie die Versuche des Niederösterreichischen Gewerbevereines und des Oesterreichischen Kunstvereines, die Schaffenden anzuregen und die Besitzenden für die Sache zu erwärmen. Veranstaltungen im Sperlsaale erhoben sich vollends nicht über das Niveau von Bazaren. Die Arbeit der «Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale» aber, des Alter­thumsvereines, die Herausgabe von Aufnahmen österreichischer Kunstwerke, die gleichzeitig von Eitelberger, Heider und Hi es er einerseits, von dem Architekten Springer ander­seits unternommen wurden, blieben den eigentlich gewerblichen Kreisen ziemlich fremd, weil bei allen solchen Studien die Archäologie im Vordergründe stand.

Den Anstoss zum Wandel in diesen Dingen sollte das Jahr 1862 bringen. Die da­malige zweite grosse Ausstellung in London liess so deutlich erkennen, was in dem elf­jährigen Zeiträume von der englischen Industrie gewonnen worden war, dass kein aufmerksamer Beschauer sich dem Eindrücke zu entziehen vermochte. Minister-Präsident Erzherzog Rainer liess sich Vortrag darüber erstatten, wie das englische Beispiel für Oesterreich gewinnbringend zu benützen sei, und Eitelberger, von van der Nüll berathen, konnte nicht umhin, die Errichtung einer dem Kensington Museum entsprechenden Anstalt zu empfehlen, die werden sollte, was bis dahin gefehlt hatte, Mittelpunkt für die Reformarbeit auf dem Gesammtgebiete des Kunstgewerbes in Oesterreich.

Das in Folge der Vorschläge Eitelbergers erflossene Allerhöchste Handschreiben an den Erzherzog Rainer vom 7. März i863 ist ein geschichtliches Denkmal von hoher Be­deutung. In festen Zügen wird der Zweck der neuen Schöpfung ausgedrückt, «den vater­ländischen Industriellen die Benützung der Hilfsmittel zu erleichtern, welche Kunst und Wissenschaft für die Förderung der gewerblichen Thätigkeit und insbesondere für die Hebung des Geschmackes in so reichem Maasse bieten». Zunächst wird die leihweise Ueber- lassung von Kunstwerken und Büchern aus den Sammlungen des Hofes und des Staates und anderen öffentlichen Anstalten zugesichert und zugleich die Erwartung ausgesprochen, dass die Gemeinden, der Adel und das übrige besitzende Publicum im Reiche, diesem hohen Beispiele folgend, ihre wissenschaftlichen und Kunstschätze dem neuen Museum in gleicher Weise zur Verfügung stellen würden. Ebenso hatte das Kensington Museum mit einem sogenannten Loan Museum begonnen, so dass der Anstalt Zeit blieb, die eigene Erwerbung von geeigneten Gegenständen zu betreiben, und inzwischen dem Publicum Werke zur An­schauung gebracht wurden, die sonst gar nicht oder doch nur ausnahmsweise zugänglich waren. Ein Comité, bestehend aus dem Sectionschef v. Lewinsky, dem Schatzmeister J o h. G a b r. Seidl, dem Kunstreferenten im Staatsministerium, Ministerialsecretär Gustav Heider und dem Universitätsprofessor Rudolf v. Eitelberger, erhielt den Auftrag, das Statut für das Museum auszuarbeiten, und diese bewährten Fachmänner förderten ihre Arbeit so, dass schon unter dem 3i. März das Statut die Allerhöchste Genehmigung empfangen konnte.

Gleichzeitig wurde Seine k. u. k. Hoheit Erzherzog Rainer zum Protector der Anstalt ernannt. Wenn das Oesterreichische Museum durch mehr als drei Jahrzehnte ge­deihlich zu wirken vermochte, so hat es dies in allererster Linie dem erlauchten Protector zu danken. Das ist allbekannt. Allein die Pflicht gebietet, auch hier zu betonen, dass der

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