Nach dem Schlüsse der Ausstellung siedelte das Oesterreichische Museum mit seinen Sammlungen in das neue Gebäude über, in dem sich die Schule bereits eingerichtet hatte. Die Sammlungen konnten nun systematisch aufgestellt und katalogisirt werden: gruppirt nach Stoff und Technik und innerhalb einer jeden Gruppe wieder Ordnung nach Zeitalter und Stilen. Denn erster Grundsatz blieb, dass die Sammlungen für die Schaffenden, Lernlustigen, Bildungsbedürftigen vorhanden seien, dass die Künstler und Handwerker, Meister wie Lehrling, wissen können, wo das Gesuchte zu finden sei, dass ihnen womöglich vollständige Entwick­lungsreihen zum Studium vorgeführt werden. Belehrung und Anregung, vorzugsweise durch Anschauung, sollte allen strebsamen Gewerbetreibenden geboten werden, ohne Einschränkung der Freiheit, ohne doctrinäre oder bureaukratische Bevormundung. Zum Stil mussten sie erzogen werden, zur Gesetzmässigkeit, aber nicht für einen Stil abgerichtet, neben dem sie kein Auge und Verständniss für das Charakteristische anderer Stilarten behalten würden. Das Programm war in seinen allgemeinen Zügen gleichlautend für das Museum und die Schule, und schöne Erfolge verschafften diesem Programme zahlreiche Anhänger auch im Auslande.

Die Kunstindustrie war in jenen Jahren vollauf beschäftigt. Sie zog Vortheil von der äusserst regen Baulust, von dem scheinbaren Geldüberflusse, von der gleichsam mühelosen Ansammlung neuer Reichthümer und dem Bestreben der Millionäre von gestern, es dem ererbten Besitze äusserlich gleichzuthun. Dazu kam noch, dass man sich in manchen Kreisen der Bevölkerung die übertriebensten, ausschweifendsten Vorstellungen von dem Segen machte, den die geplante grosse Ausstellung im Jahre 1873 über Wien und das ganze Land aus- schütten werde. Natürlich war es Pflicht und Schuldigkeit der Kunstindustrie, der bei all­gemeinen Ausstellungen jederzeit die Repräsentation zugedacht wird, sich zum Empfange der ganzen Welt glänzend zu rüsten! Um so schmerzlicher hatte sie es zu empfinden, als die Goldküste, die man schon so nahe vor sich gesehen hatte, wie ein Hauch verschwand, als ein Trugbild der Fee Morgana erkannt werden musste. Nicht nur imaginäre Millionen der Speculation, auch mühsam ersparte Tausende zerrannen an einem Maitage, Einschränkung wurde allgemeines Losungswort, und von ihr getroffen wurden in erster Reihe die Erzeuger schöner, nützlicher, aber nicht unentbehrlicher Dinge, eben diejenigen, denen die Hoffnung auf Lohn für ihre der Ausstellung gebrachten Opfer ohnehin zerstört worden war!

Die Enttäuschung war bitter. Vor wenigen Jahren hatte man noch mit einer gewissen Berechtigung hoffen können, die Erbschaft des zu Boden geworfenen Frankreich anzutreten, und nun hatte die Ausstellung französische Niederlagen nach Wien gezogen, um die ohnehin so gesunkene Kauflust nach Paris zurückzulenken. Um der Entmuthigung einigermassen entgegenzutreten, rief Eitelberger 1873 die Weihnachtsausstellungen ins Leben, die zu einer stehenden Einrichtung wmrden und Nutzen brachten. Die verheerenden Wirkungen des «Krachs» von 1873 konnten sie freilich nicht ungeschehen machen, um so weniger, als sie sich weit über Wien und Oesterreich hinaus erstreckten. Werkstätten und Magazine waren überfüllt, und wie Jahre lang Verschwendung in der Mode gewesen war, so war es nun Einschränkung, auch wo sie nicht vonnöthen gewesen wäre; wie früher den Luxus, meinte man jetzt übertriebene Sparsamkeit seinem guten Rufe, seinem Geschäftscredit schuldig zu sein. Woher sollte die Hilfe kommen?

Man wandte wohl einen beliebten Vergleich auch auf diesen Fall an: die Wunden, die eine misslungene Ausstellung geschlagen, werde eine gelungene wieder heilen. Doch diese Lehre fand zunächst keinen Glauben. War doch die Ausstellung nicht die Ursache des Unheils gewesen, sie hatte nur den Ausbruch der finanziellen Krisis beschleunigt. Immerhin hatte

162