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dienen sich einen Lohn, in welchem ausser der fleissigen Handarbeit auch die künstlerische Fertigkeit in Rechnung gebracht wird.

Wie in Böhmen wird die Spitzenklöppelei noch in anderen Theilen der Monarchie schwunghaft betrieben; so in Mähren, Schlesien, Kraiu. Die intensive Pflege, deren sich das Fachschulwesen in der Gegenwart erfreut, leitet auch in diesem, einen Zweig der Hausindustrie bildenden Gewerbe eine Periode ungleich höherer Leistungsfähigkeit ein.

Wirkwaaren-Induslrie.

Unter den Industriezweigen, welche eine überraschende Ausbildung erfuhren, in ihren Arbeitsmitteln und ihrer Leistungsfähigkeit eine ausserordentliche Entwicklung aufweisen, nimmt die Wirkwaaren-Erzeugung eine hervorragende Stelle ein. Als Kleinbetrieb uralten Datums, zählt ihre Umgestaltung zur Grossindustrie mit einer auf den Weltmarkt be-

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rechneten Productionskraft erst nach wenigen Jahrzehnten. Gleich dieser Erscheinung ist aber auch der Umstand bemerkenswert!!, dass in dem Masse, als sich die Werkvorrich­tungen vervollkommneten und die Erzeugnisse sich vervielfältigten, dem weiblichen Ge- schleclite sich ein immer grösser werdendes Arbeitsgebiet erschloss.

Bis ins dritte Jahrzent dieses Jahrhunderts bestand als ausschliessliche Werkvor­richtung des Strumpfwirkers der von W. Lee im 17. Jahrhundert erfundene sogenannte Coulirstuhl. Die Leistung war und ist eine geringfügige, bei anhaltender Arbeit etwa ein Dutzend mittelfeiner Strümpfe oder neun Stück grosser Jacken in der Woche. Frauen­arbeit hat nur einen sehr geringen Antheil, denn der ungelenke Mechanismus des Stuhles fordert die Hand des Mannes.

Durch den Verbrauch der geklöppelten Spitzen angeregt, trat in den Dreissiger-Jahren der sogenannte Bobbinetstulil auf, ursprünglich für Tüll- & Spitzenfabrikation bestimmt, bald aber für die Strumpfwirkerei adaptirt.

Der Kettenstuhl, wie die neue hieraus hervorgegangene Werkvorrichtung heisst, ver- anlasste nach mehreren Richtungen tiefgehende Veränderungen. Während beim Coulirstuhl, welcher Name dem Durchlaufen der Walze entlehnt ist, mit einem Faden über die ganze Breite (selten über 50 cm ) gearbeitet und die Strumpfmasche durch Umschlingen desselben um die Nadel hergestellt wird, werden dem an 2 m breiten Kettenstuhle sämmtliche zur Herstellung des Gewebes nothwendigen Fäden, wie beim Webstuhle, nebeneinander auf einen Baum gebracht und dann auf den Nadeln zusammengeschlungen.

Während der Coulirstuhl in Folge seiner mangelhaften Einrichtung die Erzeugung gemusterter, breiter, endlich schmalstreifiger Waare sehr erschwert, ermöglicht die Ein­richtung des Kettenstuhles kaum übersehbare Combinationen.

Von den mannigfaltigen, hiedurch herstellbaren Artikeln sei zunächst der Tuchhandschuhe und der Sommertricothandschuhe gedacht, welche beide vorzugsweise Frauenhände beschäftigen.

Vorerst ist das Garn zu spulen und auf den Kettenbaum zu wickeln, Arbeiten, bei welchen Mädchen von 14 Jahren aufwärts mit einem Wochenlohn von fl. 3'/ 24 1 / a ver­wendet werden. Das Wirken selbst wird auch da, wo die Stühle durch Elementarkraft getrieben werden, durch Männer besorgt.

Das fertig Gewirkte ist nun zurepassiren, d. h. beim Arbeiten gefallene Maschen sind zuzustopfen. Dieser mühsame Arbeitsprozess bedingt Frauenhände, der Wochenver­dienst beträgt ungefähr 3 fl.

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