Aus Sachsen herüber gekommen, hat die Industrie auch heute noch den Schwer- punct ihres Betriebes (Appretur und kaufmännischen Betrieb) in Sachsen.

Der in Umrissen angedeutete Bezirk, von der Natur stiefmütterlich bedacht, von rauhem Klima und geringer Ackerkrumme, bringt zwei der Ausbildung dieses Halb­fabrikates günstigo Bedingungen: zahlreiche und bildsame Arbeitskräfte und einen für diesen Zweck vollkommen geeigneten Rohstoff.

Die Zahl der mit Herstellung derartiger Geflechte beschäftigten Kinder und Frauen dürfte auf etwa 1000 zu veranschlagen sein mit einem wöchentlichen Verdienste von 35 Kreuzern bis zu ff. 2*40; in allerdings vereinzelten Fällen erreicht der Tagesverdienst der Flechterin die Höhe von 70 Kreuzern.

Der Werth des heute verarbeiteten Rohmateriales wird auf ca. 11. 9000 veranschlagt, die durch die Herstellung des Halbfabrikates erzielte Werthsteigerung dürfte etwa das Siebenfache des Rohstoffwerthes betragen.

Zum Geflecht wird Stroh von reif gewordenem Weizen verwendet. Von den Halmen wird gewöhnlich nur der mittlere und oberste Theil herausgeschnitten und zur Verarbeitung benützt. Der mittlere Theil des Halmes gibt das grobe, der obere das mittlere und feine Geflecht. Ehevor man aber zum Flechten gelangt, muss das Stroh noch auf mancherlei Weise zubereitet werden. Zuerst wird es geschwefelt, um ihm eine gleichmässig gelbe Farbe zu geben. Dann wird es getheilt (gerissen). Diess geschieht mit einem eisernen Werkzeuge, das ungefähr einen halben Zoll breit an einem Ende in scharfe Zähne aus­läuft. Je näher dieselben aneinanderstehen, in desto schmälere Theile wird das Stroh getheilt. Der Reisser, wie dieses Werkzeug heisst, hat 10 bis 18 Zähne. Der geschwefelte, ungefähr einen halben Fuss lange Halmtheil wird an einer Seite aufgeschlitzt, auf eine Lederunterlage gelegt und mit einem Messer an der Innenseite geschabt. Hiedurch er­hält das Stroh überall eine gleiche Dicke. Darnach wird der Halm unter dem Reisser weggezogen. Verwendbar sind nur die gut gerissenen Theile. Nach der Zahl der Zähne des Reissers unterscheidet man 10- bis 18zähniges Geflechte.

Das fertige Geflecht wird nochmals geschwefelt und gewaschen und kommt in Stücken von 24 Ellen Länge in den Handel.

Das fleckige Weizenstroh wird anilinroth, braun oder schwarz gefärbt und dann zu färbigen oder gemischten Geflechten verwendet.

Ausnahmsweise wird auch gebleichtes Kornstroh verwendet; doch steht dieses dem Weizenstroh an Verwendbarkeit entschieden nach.

Wie in der Holzschnitzerei, Weberei etc. ist auch für diesen Industriezweig durch seine Pflege in der Schule eine reichere und lohnendere Entfaltung ermöglicht.

Die von der Volksschule in Tellnitz unter der Leitung des Lehrers Herrn Aug. Heller angefertigten Geflechte rühren von 8- bis 13jährigen Kindern, welche die aus­gestellten Streifen in einem Zeiträume ausführten, dessen unterste Gränze 10 Minuten beträgt (so ein zehnzähniges Geflechte von einem 13jährigen, ein zwölfzähniges von einem zehnjährigen Mädchen), während die oberste Gränze 47 Minuten erreicht (so ein zehnzähniges Geflechte von einem achtjährigen Mädchen).