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Erster Theil
Entstehung
Seite
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g

die rechte Stimmung erlangt, um die komischen Scenen, die sich mir boten, belachen zu können. Die unglücklich Leidenden gaben, vollkommen überwältigt, mit tragischer Fassung dem Meergott ih­ren Zoll. Es war mir ein ergötzliches Schauspiel, wie Einer nach dem Andern sein Lager verließ, mit dem Tuch vor dem Munde und, sich krampfhaft festhaltend, durch die Kajüte taumelte und dem Verdeck zueilte, ,,um frische Lust zu schöpfen". Viele waren nicht im Stande, sich von ihrer Lagerstätte zu erheben und ließen das grausige Walten des Schicksals ruhig über sich ergehen. Am Be- dauernswerthcsten waren jedenfalls die Frauen. Wir hörten ihr Aechzen und Stöhnen durch die Thür ihrer Kajüte hindurch, und da sie bei der durch die Krankheit bedingten Unordnung ihrer Klei­dung ihren engen Raum nicht einmal verlassen konnten, spielten sie eine wirklich klägliche Rolle. Man behauptete, daß die Seekrankheit eine grenzenlose Gleichgültigkeit hervorrufe; ich kann versichern, daß durch sie auf dem Schiffe eine Unordnung entsteht, welche sich nicht schildern läßt*).

Wir hatten beschlossen, die Insel Syra ein Wenig zu durch, streifen und nahmen deshalb unsere Gewehre mit an'S Land. In der Ebene der Küste bemerkten wir Weinberge, mit Reben voller Trau­ben, obgleich die Rebe ohne Stangen oder sonstige Zeichen des Fleißes cmporwuchcrte. Anders wurde es in der Nähe der Berge. Mit jedem Schritte wurde der Boden dürrer, unfruchtbarer und stei­niger. Wenige, halb verkrüppelte Feigen- und einige größere Jo- hannisbrodbäume zeugten von Vegetation, alles Uebrige war öde, verbrannt und wüst. Auch die Thierwelt schien wie ausgestorben zu sein. Außer einigen Raben, Steinschmätzern und Sän- gern war kein Vogel zu sehen; Hunde und Ziegen schienen die einzigen Säugethicre der Insel zu sein. Darüber mißmuthig wandten wir uns der Stadt Syra zu, welche sich, vom Meere

*) Man ist übrigens irriger Meinung, wenn man annimmt, daß die Seekrankheit augenblicklich endige, sobald man den Fuß an's Land setzt; sie dauert oft noch mehrere Tage auch am Lande fort; wenigstens soll man noch einige Zeit lang Kopfschmerzen und Sausen in den Ohren ver­spüren.