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Erster Theil
Entstehung
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des Landes anzutreten. Noch beleuchtete, als wir Athen verließen, der klare Sternenhiinmel unseren steinigen Weg. Wir ritten eine Zeit lang in Olivenwäldern dahin und später in die Berge hinein. Zur Linken lag uns das Meer: ein nebelgrauer, ruhiger Streifen, dein man schon recht wohl erkennen konnte. Viele Griechen begeg­neten uns und zogen mit ihren bcladcnen Eseln grüßend an unS vorüber. Durch eine steil abfallende Schlucht gelangten wir mit Sonnenaufgang in der Nähe der welthistorischen Bucht Salamis an's Meer, ritten eine Zeit lang der Küste entlang und dann über die triasianische Ebene wieder den Gebirgen zu. In einem Dorfe hielten wir Rast und baten um Wasser. Nur mit Mühe er­hielten wir einen Trunk brack und fade schmeckenden Cisterncnwas- sers. Die Bewohner des Dorfes waren fast ohne Ausnahme häß­lich ; die Frauen schienen es wegen ihrer abschreckenden Tracht noch mehr als die Männer zu sein. Mit aller Anstrengung der Phan­tasie hätte man aus ihren Fratzen keine ,,griechischen Formen" her­ausfinden können.

Hinter dem Dorfe begann ein Pinienwald, durch welchen unS die Straße führte. Wir waren in das Kerata-Gebirge eingetre­ten und hatten gehofft, hier wenigstens romantisch wilde Gegenden zu erschauen. Aber auch hier zeigte sich dieselbe Ocde und Un­fruchtbarkeit, Gleichförmigkeit und Dürre wie vorher in der Ebene. Wie ganz anders hatte ich mir Griechenland vorgestellt! Die grün- bewaldeten Gebirge, mit ihren romantischen Schluchten und saftigen Wiesen im Thalgrunde sind wie die überall bebauten und belebten Ebenen mit den freundlichen rothen Ziegeldächern der zwischen Obst- waldungen versteckten Dörfer dem Geiste des Abcndländcrs so ver­traut geworden, daß er gar nicht glauben will, es könne wo an­ders Berge und Thäler, Dörfer und Städte geben, welche nicht ebenso beschaffen wären wie daheim. Und daß gerade Griechen­land, das Land des milden Himmels, der Fruchtbarkeit und der segensreichen Erde, öder und trauriger sein könnte als Deutschland, hätte ich nie gedacht. Alle Reisenden schilderten seine Schönheit mit beredter Zunge, malten sein Bild mit glühenden Farben aus. Ich war überrascht, es nicht so zu finden, wie ich gehofft.