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Erster Theil
Entstehung
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glauben. Wenn inmitten der Wüste der Lebensthau versteckst ist, bann bringt die Phantasie die lieblichsten Traumbilder vor die ge­schwächten Sinne; ist man aber vollkommen gesund und gegen jeden Mangel geschützt, dann verschwinden alle Bilder der Spiegelung, und nur das wirklich Vor handene bleibt zurück.

Die Fata-Morgana ist am Besten einer großen Ueberschwem- mung zu vergleichen, aus welcher die gegenwärtigen Objekte, seien sie lebend oder todt, wie vom Wasser getragen herausschauen. Sie spiegeln sich auch, wie im Wasser, verkehrt nach unten zu ab. Lebende und sich bewegende Gegenstände erscheinen, weil sie auf der wogenden Fläche zu schweben scheinen, riesig groß und nehmen erst bei größerer Annäherung mehr und mehr ihre natürliche Ge­stalt an. Die spiegelnde Fläche selbst scheint eine Höhe oder Tiefe von sechs bis acht Fuß zu haben und ähnelt in ihrer Farbe ge­trübtem, von der Sonne nicht beschienenem Wasser. Gewöhnlich beginnt die Erscheinung um neun Uhr Vormittags, ist um Mit­tag am ausgeprägtesten und endet gegen drei Uhr Nachmittags, uin welche Zeit sie, wie Nebel an verschiedenen Stellen zerreißend, lichter wird und zuletzt ganz verschwindet. Das ist das Phäno­men, mit ««verschleiertem Sinn, bei kräftigem, gesundem Körper betrachtet.

Der Sonnenauf- und Sonnenniedergang, das Funkeln der Sterne in der Nacht, die nur geahnte Melodie des Sandes, Luft­strom, Sturm, Samuhm und Fata-Morgana sind die einzelnen Momente des Lebens der Wüste. Tod bringt nur die Kälte und die ewige Nacht; wo Licht und Wärme strahlt, herrscht auch Le­ben. Nenne man es ideelles, gcträumtes Leben, Leben bleibt es doch.

Aber die Wüste zeigt auch die Spuren eines Lebens in der gewöhnlich gültigen Bedeutung. Sie erzeugte sich ein eigenes, lebensfrischeö Reich. Alpe, Meer und Wüste, gleich erhaben, gleich großartig, diese drei beherbergen eine ihnen eigenthümliche,