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sie glauben, daß es der Regierung nicht zur Kenntniß kommt. Ihre Mtzlühk*) bekümmerten sich wenig oder nicht um die Pri- vatfehden ihrer Unterthanen, deshalb wundern sich diese, daß die jetzige Regierung dagegen einschreitet und sich mit derartigen, nach ihrer Meinung sie gar Nichts angehenden Kleinigkeiten behelligt. Erst unter der türkischen Herrschaft haben sie den Mord von dein gerechtfertigten, wie sie wähnten, Todtschlag unterscheiden ge­lernt. So wenig ein Soldat Gewissensbisse fühlt, welcher seinen Feind erschlug, ebensowenig glaubte der ungebildete Natursohn ein Verbrechen begangen zu haben, wenn er einen Anderen, welcher ihn beleidigte oder große Reichthümer besaß, umbrachte. Im ersteren Falle hielt er den Tod seines Feindes für eine gerechte, wohlverdiente Strafe, im letzteren, wie der Beduine, für eine mit dem Raube bedingte Nothwendigkeit, welche er leicht entschuldigen zu können glaubte. Jemanden zu belügen oder zu betrügen scheint ihm keine Sünde, sondern vielmehr ein Sieg seiner geistigen Ueber- legenheit über die Beschränktheit des Anderen zu sein. Die Tür­ken sind bemüht, ihre verwerflichen Grundsätze nach und nach aus­zurotten, aber das geht sehr langsam. Ein eigentliches Gesetzbuch besitzen die Mahammedaner zur Zeit noch nicht: der Khorahn ist ihr Ein und Alles. Er lehrt sie das Gute vom Bösen un­terscheiden, bestimmt die Strafe eines Verbrechens und enthält die Gesetze, durch welche der Feldherr Mahammed seine Truppen und Anhänger zügelte. Leider ist dieses ganz vortreffliche Religionsbuch bis jetzt bei den Sudahnesen nur wenig verbreitet, sie besitzen erst eine einzige Moschee in ihrem großen Vaterlande (in Charthum) und nur die Hauptformcln ihrer Religion sind ihnen traditionell bekannt geworden. Sie sind Mahammedaner dem Namen nach, ohne die Gesetze des Jslahm zu kennen oder zu verstehen. Wenn sie einigen Formeln genügen, glauben sie genug zu thun. Eine That ist gewiß nur dann erst Verbrechen, wenn Der, welcher sie begeht, weiß, daß sie Verbrechen ist. Wir dürfen aber keineswegs überzeugt sein, daß der Sudahnese jetzt schon zu dieser Erkenntniß

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*) Plural von Mölik, Kouig.