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Blätter. Im April sind die kühlenden Nordwinde erstürben, von nun an treten ihre Gegner auf; das Leben erlischt, die Vernichtung beginnt.
In diesem flüchtig skizzirten Landstriche herrscht, wie ich schon angedeutet habe, ein reges Thierlcbcn. Man würde irren, wenn man die Steppe arm nennen wollte: sie ist reich und erzeugungs- fähig. Ganze Länder liegen in ihr, noch nicht gezählte Nomadcn- stämme nennen sie ihre Heimath, Hunderttauscnde von Kamelen, Rindern, Ziegen und Schafen werden in ihr geboren. Ackerbau und Viehzucht sind die Quellen des Wohlstandes ihrer Bewohner, sie werden beide stark betrieben, doch steht die Viehzucht oben an. Zur Mittagszeit gewähren die in den Niederungen liegenden Tränk- plätze ein eigenes Schauspiel, aber ein Bild des Wohlstandes der Steppe selbst. Da kann man acht- bis zwölfhundert durstige Kamele, drei- bis viertausend nach Wasser lechzende Rinder vereinigt sehen, welche hier von ihren Hirten getränkt werden. Das begehrlichere Volk der Ziegen und Schafe kommt zweimal des Tages zu gleichem Zwecke hierher. Viele Hirten, vielleicht die Hälfte der Männer eines Stammes, haben vollauf zu thun, ihrer ungeduldigen Schaar Genüge zu leisten. Jeder Stamm hat seine bestimmten Tränkplätze und wechselt nach der Jahreszeit oder der eben erkorenen Weidcgcgend, bald mit diesem, bald mit jenem. Die in Dörfern hausenden Viehzüchter sättigen ihre Heerden aus der Ci- sterne ihres Dorfes. Ursprünglich waren auch sie wandernde Nomaden, jetzt warten sie mehr des Ackerbaues als der Viehzucht*).
Eigenthümlicher als die gezähmte ist die freilebende Thierwelt der Steppe. Ich bemerke, daß ich bei einem kurzen Uebcrblick der
*) Die Steppenbewohner, über welche ich meinen Lesern im Verlaufe meiner Erzählung hier und da noch Einiges mittheilen werde, theilen sich in mehrere Hauptstämme und viele Rebenzweige, unterscheiden sich aber in ihren Sitten und Gebräuchen wenig von einander und den andern, uns schon bekannten Bewohnern des Sudahn,