14

form wohl auch in weiteren Kreisen eine materielle Forderung erfahren würde, wenn sie nur erst bekannt wäre. Oder soll das bittere Wort: Noch immer werden durch testamentarische Verfügungen, freiwillige Lüftungen, Vereinssammlungen und ähnliche Mittel ansehnliche Beträge aufgebracht, die der studierenden männlichen Jugend zugute kommen, an die Mädchen denkt niemand" nicht endlich doch eine Abschwüchung erfahren? Ein Treckt*) thäte da in mehr als einer Beziehung noth. Natürlich dürfte der Staat nicht mit verschränkten Armen dastehen. In dem einzigen, noch als eine Schöpfung der großen Kaiserin Maria Theresia überkommenen, staatlichen Waisenhause für Mädchen in Judenau bei Tulln werden die Mädchen bis zum 16. Lebensjahre belassen; in den zwei letzten Jahren werden sie zu Dienstboten herangebildet und ent­sprechend fachlich unterrichtet. Dieses Ausmaß und diese Grenze des Unterrichtes sind auch sicher das Richtigste. Da ist also schon das verwirklicht, dem wir das Wort reden; das ist aber auch alles, was der Staat auf diesem großen Gebiete der Volkserziehung jetzt leistet. In verhältnismäßig sehr geringer Weise betheiligen sich auch die anderen Factoren an dieser Berufsbildung.

Derartige Fachabtheilungen der Waisenhäuser müssten ähnlich organisiert werden, wie dieWirtschaftsschulen", von welchen bei Gruppe III die Rede sein wird, also als Tagesschulen mit einem vollständigen Wirtschaftsbetrieb. Sie haben sich in anderen Ländern**) schon gut bewährt, warum sollte man mit ihnen bei uns nicht das Gleiche erreichen können? Unwillkürlich drängt sich da aber auch der Gedanke auf, ob es nicht auch möglich wäre, außerhalb der Waisenhäuser oder ähnlicher Anstalten befindlichen, armen, braven Mäd­chen nach vollendeter Schulpflicht durch einige Zeit als Externe solcher Anstalten Gelegenheit zu geben, sich zu Dienstboten auszubilden. Un­summen fließen alljährlich aus öffentlichen und privaten Mitteln der Armenpflege zu, um eigentlich ohne ersichtliches Resultat verschlungen zu werden. Würde nur ein Theil solcher Mittel für derartige Zwecke

*) Ein Wiener Bürger, welcher vor einigen Jahren den Zwecken der Wissen­schaft eine Million Gulden gewidmet hat.

**) Vgl. Kalte und Kamp:Die hauswirtschaftliche Unterweisung armer Mädchen", insbesondere über die Elisabethen-Anstalt in Nieder-Ramstadt bei Darmstadt, dasAugustenstift" in Coburg, das katholische Waisenhaus in Zdung in Posen, wo Mädchen bis zum 20. Jahre erzogen undje nach ihrer Anlage und Fähigkeit in allen Zweigen des kleinbürgerlichen Haushaltes unterwiesen werden", die Waisenhäuser in der Rheinprovinz; endlich die bezüglichen Ein­richtungen in Schweden.