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sind die bezüglichen Stellungen weit weniger anstrengend und auch nicht schlecht gezahlt. In einer Reihe von Fällen der Praxis hat man auch konstatiert, dass die Mädchen sich leicht in die ihnen aufgetragenen Geschäfte hineinfinden, mit Umsicht und Fleiß arbeiten, gut Ordnung halten, und auch im Parteienverkehr dies schien der fraglichste Punkt Takt und Selbständigkeit entwickeln. Da nun bei derartigen Kanzleien, besonders bei Advocaten und Notaren, sich schon lange der Übelstand gezeigt hat, dass es für sie überhaupt schwer ist, geeignete männliche Hilfskräfte zu gewinnen, ja dass diese ein fortwährend fluktuierendes Arbeitsmateriale dieser Bureaus bilden, kann also auch nicht behauptet werden, dass hier etwa die Verwendung der Frau eine ungerechtfertigte Schädigung der Erwerbsquellen des Mannes bedeuten würde; tüchtige, qualificierte männliche Kräfte werden da nach wie vor gesucht sein und ihr Fortkommen finden, für bestimmte Posten sind sie sogar unentbehrlich; sonst wird man aber successive untaugliche männliche Kräfte durch brauchbare weibliche ersetzen, und man wird gut dabei fahren.

Ein Übelstand macht sich nun schon jetzt bei dem ganzen Beruf geltend: die Schwierigkeit, sich die unentbehrlichen, fachlichen Vorkenntnisse zu erwerben. Diese Erkenntnis hat auch schon zu einem wohlgemeinten Versuch einer Selbsthilfe durch Errichtung privater Fachcurse geführt, die sich aber eben wegen dieses Charaktes nicht zu behaupten vermochten.*) Männliche und weibliche Hilfskräfte sind aber bei der Sache gleichmäßig interessiert und deren Chefs auch. Eine halb­wegs schöne Schrift genügt eben heute für solche Posten nicht mehr. Aspiranten aus dieselben müssen daher jetzt in der Regel den Nachweis des Besuches einerHandelsschule" erbringen. Diese Forderung geht, wie wir schon an anderer Stelle dargelegt haben, viel zu weit, denn eine solche Vorbildung erheischt weit mehr Zeit als nöthig ist und kann auch von un­bemittelten Personen nicht bestricken werden. Es müsste daher eine eigene, auf den concretenZweck bezügliche und ihm an gepasste, von öffentlichen Factoren (Advocaten- und Notariats­kammern, Direktionen der betreffenden Berwaltungszweige) ins Leben zu rufende Einrichtung getroffen werden, um das er­wähnte Bedürfnis zu befriedigen. Die Auslagen für solche Curse, deren Leitung am besten Standespersonen anvertraut würde, wären minimal, die durch sie gewonnene Erhöhung der Berufsfähigkeit und die Erleich-

*) Siehe die Mittheilungen in der Zeitschrift des Vereines der Notariats­beamten NiederösterreichsDer Notariats-Beamte" vom Jänner 1900,. IV. Jahrg., Seite 3.