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Wurzel geschlagen haben und volksthümliche Institutionen geworden sind. Wir meinen die so segensreich wirkende, auch bei uns schon vielverbreitete Institution der sogenanntenRaiff- eisencassen" * **) ), nämlich der auf der Bürgschaft der Nachbarn beruhenden Credit-, Vorschuss- und Sparkassen der Bauern und Landwirte. Auch in Österreich existieren gegenwärtig 1800 der­artige Cassen. Diese Anstalten umfassen verhältnismäßig kleine, aber credit- und damit capitalskräftige Kreise, wo der genossen­schaftliche Gedanke ohne Zwang und äußere Beeinflussung eine sichtbare, von jedermann gekannte Gestalt schon angenommen hat. Die ganze Landwirtschaft" sagt eine unlängst erschienene Denk­schrift der bäurischen Regierungwird von der genossenschaftlichen Idee beherrscht." Das muss man sich auch hier vorhalten. Mit Hilfe der Verbände dieser Cassen und unter fördernder Mitwirkung öffentlicher Factoren ließen sich vielleicht solche, allmählich über weite Landstriche sich ausdehnende, kleine Unterrichtsorganismen für den landwirtschaftlichen Kleinbetrieb (Milchwirtschaft, Obst-, Gemüsebau, Geflügelzucht, Gärt­nerei u. a.) ins Leben rufen, bei welchen der im Bezirke selbst wohnhafte, intelligentere Landwirt die Lehrkraft abzugeben hätte. Diesem müsste man eine erhöhte Kenntnis beizubringen verstehen, indem man ihm Gelegen­heit zum Besuche von Specialcurfen bietet, so dass der conservative, zum Misstrauen gegen städtische Elemente geneigte Landbauer in ihm Fleisch von seinem Fleische und Blut von seinem Blute sehen und auf das Gebotene weit eher reagieren würde, als wenn ihm diewissenschaftliche Capacität" aus der Stadt auf den Leib rückt.

Es war uns daher sehr interessant, die Richtigkeit unseres Ge­dankens von der Heimat der Raiffeisencassen, von Deutschland her, bestätigt zu sehen. In einer kürzlich erschienenen Publicationwird

*) Raiffeisen, Bürgermeister in Flammersdorf, später in Heddesdorf bei Reuwied, begründete 1862 diese für den kleinen Landwirt von unberechenbaren Wert, für die Consolidierung der wirtschaftlichen Lage der ländlichen Bevölkerung unentbehrlich gewordenen Darlehens- und Sparkassen. Sie sind zuerst in der Rheinprovinz entstanden und gegenwärtig überall verbreitet.

**) A. Mepenshein:Die ländlichen Genossenschaften im Reg.-Bezirk Casfel" 1899. Gute Einrichtungen hat auch das Großherzogthum Baden, speciell mit Rücksicht auf die Gärtnerei. Dobner (Frauenerwerb") hebt nicht mit Unrecht hervor, dass der materielle Wohlstand des elterlichen Besitzes auf Gütern, Gehöften, auf den Besitzungen in kleineren Städten, durch die Mitwirkung der Frauen und Mädchen gehoben werden könnte, wenn man es verstünde, ihnen einschlägige Kenntnisse beizubringen. Eine gute Schule für Gärtnerei rc. besteht u. a, in Char- lottenburg auf der Besitzung der Frau Commercialrath Hehl, Salz-Ufer 8.

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