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ganz anderen Charakter an sich tragen, was schon durch die große Verschiedenartigkeit der Lebensverhältnisse der Mädchen bedingt ist. Cs wird sich hier wohl wie bei Fachschulen im allgemeinen verhalten, welche gegründet und aufgesucht werden, weil sie eben etwas für das Leben Brauchbares und für das Fortkommen Wertvolles zu bieten vermögen, ohne dass man dabei eine zwangsmäßige Einrichtung nöthig hätte.

Wenn man sich so über die Grenzen der Organisation selbst orientiert hat, kann man erst versuchen, dem Wesen dieser Schulen für Mädchen näher zu treten. Da wird man nun auch wieder Schulen mit einer minimalen Stundenzahl, wie z. B. bei jenen für Lehrmädchen (bis zu 6 wöchentlichen Stunden durch etwa drei Jahre und bei achtmonatlichem Betriebe), von solchen mit einer viel ausgedehnteren Unterrichtszeit (etwa 1012 Stunden pro Woche) anseinanderhalten müssen. Bei den ersteren wird der fachliche Unterricht überhaupt fast die ganze Zeit occupieren, bei den letzteren wird für die allgemein bildenden Fächer und für die gerade in der Zeit vom 14.17. Lebens­jahre so nöthigen körperlichen Übungen der Mädchen noch Raum vor­handen sein. In beiden Füllen müsste die Haus wirtschaftliche Unterweisung (Koch- und Arbeitsunterricht) in den Vorder­grund gestellt werden, wo irgend möglich im Anschluss an prak­tische Einrichtungen?') Es mag auch Fälle geben, wo bei der Orga­nisierung der weiblichen Fortbildungsschulen eine gewisse Unterstützung specieller Erwerbszweige durch Vermittlung von Fertigkeiten, wie durch einen guten Zeichenunterricht u. a., am Platze wäre; in solchen Fällen müsste man durch Errichtung eigener Abtheilungen dem Be­dürfnis abzuhelfen trachten. Für landwirtschaftliche Verhältnisse empfiehlt sich jedenfalls weit besser die Einrichtung besonderer Curse, wie wir sie an anderer Stelle besprochen haben.*'?

Der Einwand, dass durch diesen Fortbildungsunterricht für Lehrmädchen die bei Gruppe I, 1, behandelten Koch- und Arbeits­schulen für Fabriksarbeiterinnen eigentlich überflüssig würden, ist nur ein scheinbar berechtigter, weil einerseits diese Schulen im ganzen über eine noch geringere Stundenzahl verfügen, also auch weniger zu leisten vermögen, und weil anderseits das Schülerinnenmateriale und in den meisten Fällen auch das Alter der Mädchen, beziehungsweise hier auch der Frauen, ganz anders geartet sind, endlich weil schon die Bestimmungen der Gewerbeordnung die Subsumiernng dieser Arbeiterinnen unter die KategorieFortbildungsschulen" nicht gestatten.

**) Das Werk von Dr. O. Kamp:Die Praxis der Fortbildungsschulen für Mädchen" kommt zu einer ähnlichen Gruppierung: 1. die volksschulmüßige, 2. die gewerbliche und 3. die hauswirtschaftliche Fortbildungsschule für Mädchen. Ebenso O. Pache, a. a. O., I. Theil, S. 40.