von Milo ihre schönen Arme mit einem Spiegel belastet haben soll, glaubt man nicht mehr, wohl aber verstehen wir, warum die vornehmen Frauen auf van Dyks Porträts die Spitzenkanten auf ihren Atlaskleidern so sorgfältig vom Maler abconterfeien Hessen, wie ihre eigenen Züge. Wir freuen uns des verwandten Geschmacks und sehen gern die chablonenhafte Maschinenspitze wieder von der feinen, originellen Handarbeit verdrängt; ja unsere jungen Patrizierinnen bethätigen gern in der Imitation alter Spitzen nicht nur ihre geschickte Hand, sondern auch ihren gebildeten Geschmack beim Entwerfen der Zeichnung, und wie die Spitze selbst das Kostbarste unseres Fraueuschmuckes dar­stellt, bildet die Kenntniss von ihrem Werth und Eigenart den Probirstein für den Geschmack einer feinen Dame unserer Tage.

Wie und wo die S p i t z e zuerst erfunden, ist nicht be­stimmbar. Sie tritt zuerst als durchnähter und durchstochener Leinwandstreifen auf, alsKante (wie heute noch die Spitzen benannt werden), die das Gewand säumt, oder als Spitze, die mit hervorragenden Zähnendentelles es überragt, den Uebergang von der Gewandfarbe zu dem Glanze der Haut vermittelnd. Die ältesten Ueberreste, aus der zweiten Hälfte des IG. Jahrhunderts etwa stammend, sind venezianische Spitzen, welche sich durch stvlvolle Ornamentik auszeichnen, im Gegensätze zu der sich später entwickelnden naturalistischen Richtung der belgischen, französi­schen, englischen und deutschen Industrie, welche Blumen, Blätter und Banken auf zarten Grund streut, um die regelmässig sich wiederholenden architektonischen Muster zu zeichnen. Die inlän­dische Giupure, von der ein Prachtstück in der Botunde aus­gestellt war, folgt zum Theil noch dem werthvolloren ornamen­talen Styl des 17. Jahrhunderts.

Von den die Spitzen-lndustrie vertretenen Ländern ist haupt­sächlich Belgien zu erwähnen, weiches auf diesem Gebiete das Vollendetste in Form und Technik ausstellt. Brüssel, Mecheln, Antwerpen, Valenciennes, Ypern, Courtrai, Brügge, Gent und Allost wetteifern mit einander, um sowohl die geklöppelten (den­telles) als auch die mit der Nadel genähten Spitzen (points) in unübertroffenen Mustern vorzuführen, so zwar, dass unsere im