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Die Arbeit geschieht durchwegs in hohen luftigen Arbeitssälen, welche ihr Licht durch die Decke erhalten und vollkommen frei von Staub sind, in folgender Reihenfolge:

Die rohe Jute, in Ballen von circa 300 Pfund gepresst, wird von Männern in den Sortirraum gebracht, die Ballen werden geöffnet und den dort beschäftigten Arbeiterinnen zum Sortiren, Befeuchten und Einölen übergeben.

Das Sortiren ist eine Arbeit, welche grosse Aufmerksamkeit erfordert und erfah- rungsgemäss nur von Frauen mit der gehörigen Aufmerksamkeit verrichtet wird. Hierbei beschäftigte Frauen verdienen bei zehnstündiger Arbeitszeit circa 5 fl. per Woche.

Die hier in Strähne vorgerichtete rohe Jute geht nun eine Reihe von Arbeitspro­zessen durch, als: Erweichen. Krempeln, Strecken, Yorspinnen und Spulen. Sämmtliche Arbeiten werden mittelst Maschinen ausgeführt, die nur von Frauen überwacht werden. Bei allen diesen Verrichtungen ist, wie schon bemerkt, keine körperliche Anstrengung er­forderlich, sondern die Aufgabe der Frauen besteht lediglich darin, die Arbeit der Maschinen zu überwachen und die geleerten Kannen und Spulen durch neue zu ersetzen. Von da ab, wo die Jute erweicht ist, erzeugen die Maschinen einen continuirlichen, erst groben, dann immer feiner werdenden Faden, bis das Gespinnst entstanden ist, welches die Abtheilung der Spinnerei verlässt und zur Weberei übergeht. In der Spinnerei und Spulerei ist der wöchentliche Lohn der Arbeiterinnen zwischen 3 und 6 fl.

Das Aufbäumen des Garnes auf die schweren Kettenbäume wird von Männern besorgt, das Einziehen desselben in die Webekämme jedoch wieder von kleinen Mädchen ; sodann wird das Garn den mechanischen Webstühlen übergeben, welche grösstentheils von Frauen bedient werden.

Eine Weberin, von der eine gewisse Geschicklichkeit verlangt wird, verdient 0 bis 12 fl. per Woche. Die fertig gewobene Waare wird nun abermals von Frauen durchgesehen und geputzt, während die Appretur, bestehend im Scheren, Stärken und Mangeln der Waare, von Männern besorgt wird.

Die appretirte Waare geht aber sodann wieder in Frauenhände über, um theils auf Nähmaschinen, theils durch Handarbeit zu Säcken verarbeitet zu werden.

Die Näharbeit wird grösstentheils ausser der Fabrik besorgt, und bildet einen sehr gesuchten Nebenerwerb für Frauen, welche nebenbei die häuslichen Arbeiten verrichten.

Die erste österr. Jute-Spinnerei und Weberei allein lässt über 1,500.000 Säcke im Jahre nähen und zahlt dafür circa 30.000 fl. Lohn.

Während durch eine Reihe von Jahren Jute-Fabrikate englischen Ursprungs in Oesterreich allgemein bekannt gewesen und auf die verschiedenste Weise verwendet wor­den sind, wurde dieser nützliche und höchst beachtenswerthe Faserstoff bis vor kurzer Zeit bei uns nicht verarbeitet.

Wohl haben schon vor längerer Zeit einzelne Webereien in Mähren, sowie im nörd­lichen und nordwestlichen Böhmen, Jute-Garne aus England und aus Braunschweig, wo gleichfalls eine Jute-Spinnerei besteht, bezogen und grösstentheils mit Flachs - Towgarnen gemischt verwoben; der Rohstoff selbst wurde aber bis vor zw r ei Jahren in Oesterreich noch nicht versponnen, bis im Jahre 1870 die erste österreichische Jute-Spinnerei und Weberei errichtet und hiedurch dieser Industriezweig in Oesterreich eingeführt wurde.

Diese Verzögerung erklärt- sich einerseits durch die Schwierigkeit der Fabrikation, anderer­seits dadurch, dass die Errichtung einer Jute-Spinnerei grosse Capitalskraft erheischt, die bis vor Kurzem namentlich für ein Unternehmen schwer zu beschaffen war, für welches noch keine Erfahrungen Vorlagen und dessen technische Schwierigkeiten bekannt waren.