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Die Lehrmädchen werden nach vollendeter Volksschule aufgenommen und treten nach vollbrachter Lehrzeit als Gehilfinnen ein. Tn der ersten Lehrperiode gemessen sie einen Wochenlohn von 1 fl. bis 1 fl. 50 kr., als Wochenlohn für die erste Periode nach vollbrach­ter Lehrzeit ist ein Betrag von 2 fl. 50 kr. bis 3 fl. anzunehmen.

Nach dem, was in den einzelnen die verschiedenen Zweige der Stickerei betreffenden Abschnitten gesagt wurde, erscheint es unerlässlich, dass die Arbeiterinnen aller Branchen der Stickerei sich praktische und theoretische Kenntnisse des Zeichnens (theilweise auch des Malens) aneignen, weil ohne solche an einen wirklichen, nachhaltigen Aufschwung der von ihnen betriebenen Industrien nicht zu denken ist. Theilnahme aller Lehrlinge (Lehr­mädchen) am Zeichnenunterrichte und Gründung von Muster Werkstätten stellen sich als die Förderungsmittel dar, welcher die für die weibliche Arbeitskraft so wichtigen Zweige der Stickerei dringend bedürfen.

Im Allgemeinen erfordern alle Branchen der Stickerei eine grosse Anstrengung des Auges und in Folge der stets gebückten Körperlage auch eine ziemlich kräftige Lungen- und Magenbeschaffenheit.

Die Relief- und Flachstickerei mittelst Metallgespinnst, die Applicationsstickere 1 sowie die Mosaikstickerei werden meistens in geschlossenen Betriebsstätten, die übrigen Zweige der Stickerei ausserhalb gemeinsamer Arbeitslocale, und zwar vorwiegend in den eigenen Wohnungslocalitäten der Arbeiterinnen, betrieben; es ist aus diesem Grunde nicht möglich, die Anzahl der sich hiemit Beschäftigenden genau anzu­geben. In vielen Fällen wird insbesondere die Merlin- und Canevasstickerei als Neben­beschäftigung betrachtet; es befassen sich damit Personen, welche nicht den für die Auf­bringung des ganzen Lebensunterhaltes arbeitenden, sondern anderen Classen der Gesellschaft angehören, z. B. Frauen und Witwen von Beamten u. dgl. In Betreff der Relief- und Flachstickerei mittelst Metallgespinnst, dann der Applications- und Mosaikstickerei wäre eine Verallgemeinerung des Fabriksbetriebes, d. h. die Heranbildung eines grösseren con- stanten Stammes geschulter Arbeitskräfte, als dem artistischen Aufschwünge förderlich, sehr wünschenswerth.

Die Zahl der in Wien und Umgebung (im Wiener Polizeirayon) bei den ver­schiedenen Arten der Stickerei beschäftigten Personen dürfte beiläufig auf 1500 bis 1600 zu schätzen sein. Hievon entfallen:

10 Percent auf die Hoch- und Flachstickerei mittelst Metallgespinnst.

Wochenverdienst von 5 fl. bis 10 fl., durchschnittlich 7 fl.

40 Percent auf Seiden-, Weiss- und Tambourstickerei (gewöhnlicher Art).

Wochenverdienst von 4 fl. bis 8 fl., durchschnittlich 6 fl.

40 Percent auf die Merlin- und Canevasstickerei.

Wochenverdienst von 4 fl. bis 6 fl., durchschnittlich 5 fl.

4 Percent auf die Applications- und Mosaikstickerei.

Wochenverdienst von 5 fl. bis 7 fl., durchschnittlich 6 fl.

3 Percent auf die Savonnerie-Stickerei.

Wochenverdienst von 6 fl. bis 8 fl., durchschnittlich 7 fl.

2 Percent auf die feine Seidenstickerei (Nadelmalerei).

Wochenverdienst von 11 fl. bis 15 fl., durchschnittlich 13 fl.

1 Percent auf die Spitzenimitation u. dgl.

Bezüglich dieses Stickereizweiges, welcher sehr ausgebildete Arbeitskräfte bedingt, ist der Verdienst nicht wohl limitativ anzugeben.