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mitteln den Absatz, der nach Wien, Galizien, Ungarn und durch Vermittlung von Wiener Kaufleuten 150200 Frauen und Mädchen mit Herstellung der Artikel beschäftigt.

Der durchschnittliche Verdienst, den diese, vorwiegend im Winter betriebene Hand­arbeit ermöglicht, wird'auf 3050 kr. im Tage angegeben. Der jährliche Umschlag, den dieser Industriezweig veranlasst, wird auf 3050.000 fl. geschätzt.

Eigene Garnhändler vermitteln den von den Arbeiterinnen zu bestreitenden Garn­bezug.

Fabrikation genetzter Artikel.

Mittheilungen des Herrn J. Grossmann in Wien zufolge, datirt dieser Industriezweig als solcher in Oesterreich erst vom Jahre 1863. Bis dahin bildeten Netzarbeiten (Haar­netze, Handschuhe, Schutztücher u. s. w.) einen Gegenstand der Hausindustrie im engsten Sinne des Wortes, d. h. sie wurden nur im Hause und lediglich für den Bedarf des Hauses hergestellt. Die Arbeitsweise ist dieselbe geblieben, nach wie vor werden diese Artikel im Hause mit den gleichen Werkzeugen und nach überkommener Technik hergestellt; nur der Vertrieb hat eine Aenderung erfahren. Durch Factoreien unterstützt, beschäftigt ein Wiener Haus an 3 -4000 Mädchen und Frauen, vorwiegend in Böhmen und Mähren. Neben der Landwirthschaft, daher zumeist im Winter betrieben, wird durch die Herstel­lung dieser zumeist in den Kähmen der Bekleidungs-Industrie fallenden Artikel ein durch­schnittlicher Wochenverdienst von 2' 2 bis 3 fl. erzielt. Die Ausfertigung (Einziehen von Gummischnüren) und das Adjustiren der Waare wird in Wien besorgt. Der Verdienst dieser Arbeiterinnen beträgt zwischen 4 und 8 fl. per Woche. Die Grösse der Erzeugung deckt heute nicht nur den Bedarf des Inlandes, sondern ermöglicht auch eiuen beträchtlichen Export nach dem Oriente, nach Deutschland, Russland und Amerika.

Als Rohstoff dienen Seide, Zwirn, Eisengar ne. Das Verhältnis zwischen dem Werthe des Rohstoffes und dem Arbeitslöhne bewegt sich zwischen 1 : 6 bei feiner Waare und 1 : 1 bei groben Artikeln und ist im Durchschnitte auf 1 : 4 zu beziffern.

In der neueren Zeit wurde die gewerbsmässige Erzeugung neuer Artikel wie z. B. von Fenstervorhängen aufgenommen.

Anführenswerth dürfte hier auch die gleichfalls in die Neuzeit fallende Herstellung von Hängematten sein.

S tr oh h utf a brik ation.

Bei der Fabrikation von Strohhüten entfallen auf das weibliche Geschlecht fol­gende Arbeiten:

1. Das Xähen der Hüte.

Diese Arbeit besteht im Zusammennähen der (aus Strohhalmen) geflochtenen Bänder nach Spirallinien*). Das Nähen geschieht meistens nach vorgelegten Holzmodellen; nur nach langer Uebung in einer und derselben Form (Façon) wird aus freier Hand gearbeitet.

Wochenlohn 3 bis 10 fl., im Durchschnitte 6 fl.

2. Das Waschen, Bleichen und Leimen der Hiite.

Diese Arbeiten unterscheiden sich von den analogen Appretir-Arbeiten in den ver­wandten Gewerben im Wesentlichen nicht. An dieselben schliessen sich weitere Manipu-

*) Es werden aber, wie bekannt, nicht nur Strohbänder, sondern auch Geflechte aus Rosshaar, Seide,

Flachs, Rast, Baumwolle und aus diesen Stoffen gemischte Geflechte zu Hüten vernäht.