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Fabrikation künstlicher Blumen.

Ueber diesen Industriezweig, in welchem weibliche Arbeitskräfte vorwiegend zur Verwendung kommen, ist Folgendes zu bemerken:

Die am allgemeinsten verwendeten Materialien sind: Gewebte Stoffe, namentlich Battist, Vapeur, Mousselin, Krepp, Moll, Satin, Tafft, Atlass, Woll- und Seidensammt und Papyrus; ferner Seide, Baumwolle, Papier, roher und gewalzter Kautschuk, Federn, Glas in Gestalt von Früchten und Thautropfen. Ueberdies bietet die Natur se 1 bst Manches, was bei der Fabrikation der Blume verwendet wird. So die Köpfchen, in welchen die Blüthen der natürlichen blauen Kornblume stecken; sie werden (getrocknet) zu demselben Zwecke bei künstlichen Kornblumen verwendet, und tragen so zur Naturähnlichkeit nicht wenig bei. Desgleichen die kleinen Samenkapseln der wilden Mohnblume, viele Gräser, Moose, Fruchtkörner und kleine verzweigte Aestchen von Bäumen und Sträuchern, welche letztere, in Bouquets eingebunden, sich ganz zierlich ausnehmen. Auch die Insectenwelt wird nicht geschont und Tausende von grünen Rosenkäfern und blauen Opalkäfern müssen ihre Versetzung von den lebenden Blumen auf künstliche geduldig hinnehmen. Von grösseren Käfern finden die Cassula (Schildkäfer) und Bupresüs (Prachtkäfer) Verwendung, deren glänzende Flügel auch zu verschiedenen Phantasieblumen benützt werden.

Mittelst besonderer Ausschlag eisen erhält man aus den oben genannten Stoffen Blätter, welche den Umriss der natürlichen haben. Es ist ein grosser Vorrath solcher Eisen erforderlich, da dieselben jedes Mal genau nach den Blättern der nachzuahmenden Pflanze gebildet sein müssen und man auch zu einer und derselben Blume, um die Blät­ter von verschiedener Grösse zu erhalten, mehrere Eisen braucht.

Das Schneiden mit der Sehe er e aus freier Hand wird nur in Ermanglung pas­sender Ausschlageisen, ferner zum Zurechtschneiden mancher ausgeschlagener Bestandtheile vorgenommen. ,

Hat man durch das Ausschlagen die Blätter im Umriss erhalten, so müssen sodann die verschiedenen Krümmungen ihrer Flächen, die Rippen und andere Unebenheiten der Oberflächen, wie die mancherlei Furchen und Ausbiegungen der Blumenblätter hervor­gebracht werden, was durch verschiedene Mittel, unter denen das sogenannte Gaufriren das vorzüglichste ist, erfolgt.

Die grünen Blätter werden aus schon fertigem grünen Stoffe (Laubstoff) mit dem Ausschlageisen ausgeschlagen und gaufrirt; bei feineren wird jedes Blatt noch mittelst des Pinsels schattirt, d. i. gezeichnet oder bemalt, sodann mit flüssigem Wachs bestrichen (gewachselt), lackirt oder mit Stärkemehl bestaubt, wodurch der natürliche Reim hervor­gebracht wird.

Das Gaufriren der grünen Blätter ist eine mehr mechanische Arbeit. Man verwendet dazu metallene Stempel, die sogenannten Gaufragen (Gaufroirs), die bei der grossen Verschiedenheit der nachzubildenden Pflanzen in beträchtlicher Anzahl vorräthig sein müssen. Zum Gebrauche wird der Obertheil des Stempels in den meisten Fällen er­wärmt; man legt in den Uiitertlieil ein ausgeschlagenes Blatt oder auch mehrere, setzt den Obertheil auf, und bringt beide unter eine Schraubenpresse.

Es gibt Fabriken, die sich blos mit der Erzeugung der Blätter be­fassen und selbe in Packeten, meistens per Gross, an die Blumenfabrikanten verkaufen oder in den Handel bringen.