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Schliesslich ist noch das Färben (Schattiren) der Blumenblätter zu be­sprechen, das erst nach dem Ausschlagen, jedoch vor dem Zusammensetzen erfolgt. Das blosse Bestreichen mit den Farben oder das Eintauchen in dieselben reicht bei weitem nicht immer hin; sehr oft müssen die Farben mit dem Pinsel aufgetragen, mit aufgetröpfeltem Wasser verdünnt und verwaschen werden. Streifen, Flecken und manche andere Zufällig­keiten der Blätter werden aus freier Hand gemalt. Die Hauptfarben sind: Rosa, welches aus Rouge (Safflor-Extract) gemacht wird, ferner Car min, wozu gewöhnlicher feiner Car- min in Pulverform verwendet wird.

Das Verfahren des nassen Färbens hat je nach Verschiedenheit der Farben manche abweichende Formen. Bei der Anwendung von Anilinfarben, die häufig ge­braucht werden, besteht es darin, dass die aus weissem Stoffe ausgeschlagenen Päckchen, mehrfach getheilt, in destillirtes Wasser getaucht, ausgepresst und päckchenweise der Reihe nach auf den Rand eines Tellers gelegt werden. Hierauf trägt man die flüssige Farbe mittelst eines Pinsels auf, indem jene Stelle betupft wird, welche am dunkelsten erscheinen soll; der fliessende Rand der Farbe wird mit der Fingerspitze gerieben, was das allmälige Verlaufen der Farbe vom Dunkeln ins Lichteste bezweckt. Sind alle Päckchen des Tellers auf der einen Seite fertig gemacht, so werden sie mittelst der Zange umgekehrt, worauf das Aufträgen und Verreiben der Farbe in gleicher Weise auf der anderen Seite wieder­holt wird. Nach halbstündigem Abliegen werden die gefärbten Päckchen zwischen Fliess­papier gebracht und gedrückt, um das bei dem späteren Sondern in Blätter mögliche Ineinanderfliessen der Farbe zu verhindern. Das Zerlegen der Päckchen in die einzelnen Blätter behufs des Trocknens geschieht entweder mit der Spitze einer Nadel oder mit der Zange ; die Blätter werden hierbei auf ein reines Tuch, meistens ein Schafwolltuch, gebracht.

Die Hauptarbeiten der Blumenfabrikation, deren Wesen aus der vorstehenden zu­sammenhängenden Schilderung hervorgeht, sind wie folgt, benannt:

1. Das Ausschlagen der Pflanzenblätter, Blumenblätter und Blumenkelche.

2. Das Schattiren der Blumenblätter, worunter das Färben und Bemalen derselben verstanden wird.

3. Das Modelliren (Gaufriren) der Pflanzen- und Blumenblätter, um denselben, nachdem sie durch das Ausschlagen den richtigen Umriss erhalten haben, die weiter nöthigen Formen (Adern, Rippen, Wölbungen u. s. w.) zu geben. Es wird hierbei das Pressen, Gaufriren, Stülpen (Biegen der Blattränder) und Kratzein (Fälteln) unterschieden.

4. Das Wickeln, d. i. das Befestigen der Blumenbestandtheile an dem Stengel und das Umwickeln desselben mit Papier oder Anderem.

5. Das Montiren, Formiren oder Ausbinden, unter welchen Bezeichnungen die zur gänzlichen Ausfertigung der Bouquets und Guirlandes erforderlichen Arbeiten ver­standen werden.

Die genannten Arbeiten werden grösstentheils sitzend verrichtet; sie sind nur im Falle der Hantirung mit schweren Werkzeugen, z. B. bei der Anwendung grösserer Hand­schlägel bei dem Ausschlagen, oder wenn längere Zeit stehend gearbeitet wird, anstrengend. Der grösseren Kraftanstrengung wegen wird das Ausschlagen und Pressen meistens von Männern besorgt.

Diesem Gewerbe widmen sich im Wien meistens dreizehn- bis vierzehnjährige Mädchen aus Nieder-Oesterreich, Böhmen und Mähren, deren Eltern vorwiegend dem Stande der