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Erster Theil
Entstehung
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Fellahhütten stehen in und auf einem Tempelportale; daS Dorf selbst verbirgt dem Auge viele Denkmäler. Es ist nicht meine Ab­sicht, die in mehr als hundert Werken bereits gegebene Beschrei­bung der Ruinen von Luksor und Karnak, Kurnu und Me- dinet-Habu hier zu wiederholen; ich werfe nur flüchtige Blicke auf sie und theile Das mit, was ich bei Besichtigung derselben empfand.

Alle egyptischen Monumente sind großartig, aber steif und todt; die griechischen Tempel und anderen Denkmäler der Baukunst und Bildhauerei erwärmen und begeistern mit ihren lebensvollen Formen das Herz des Beschauers; wer diese gesehen, den lassen jene kalt. Nach meiner individuellen Ansicht giebt es nur drei wirklich erhabene Denkmäler altegyptischer Baukunst: die Pyra­miden, die Königs grab er und die Felscntcmpel von Abu-Simbel. An allen übrigen Monumenten EgyptenlandS sind die zum Bau verwendeten riesigen Werkstücke, die mit un­übertroffener Schärfe und Genauigkeit, aber ohne allen Begriff von Perspektive eingemeiselten Hicroglyphenreihen vom höchsten In­teresse, die großartigen Anlagen der Werke sind Staunen erregend; aber nur das Kolossale, nicht die Formen sind bewunderungswcrth. Die Bilder der heiligen altcgyptischen Schrift verschwinden neben griechischen Skulpturen selbst neben Arabesken die ernsten Kolosse erbleichen neben den lebensfrischcn Statuen der Griechen. In diesen spiegelt sich die blumenreiche Poesie der Mythe, in jenen liegt der düstere Ernst des Gottesdienstes der verschleierten Isis. Nur da, wo die ursprüngliche Bestimmung der egyptischen Bau­werke noch heute unseren, durch ähnliche, gewohnte Monumente ernst gestimmten Gefühlen entspricht, nur da ergreifen sie noch heute mächtig des Beschauers Herz.

So ist es mit den Königsgräbern. Sie liegen wie die mei­sten Tempel der alten Egypter am linken Nilufer, in der Wüste.

,,Ein Pharaonendenkmal, ein Denkmal der Welt gehört in die Wüste. Hier erst ist Sammlung und Selbstbefinnen möglich, Andacht und Theosophie. Hier ist der Geist frei und abgelöst von den tausendfältigen Eindrücken und Zerstreuungen der lärmenden,