liehe Tempel, in dcr tiefen Stille der Einsamkeit nur umtobt von den immer und immer von Neuem dahinrollenden Wasserstürzen, eingerahmt von balsamdustenden Mimosen und schlanken Palmen, steht an einem zur Verehrung der alten Gottheit Egyptens Passenden Orte, wie es keinen zweiten, ähnlichen geben kann. Hier mußte sich das Gemüth der Zöglinge, welche die Priester heranbildeten, von selbst dem Hohen und Erhabenen zuwenden; hier mußten sie, wenn man ihnen den uns gleichgültig erscheinenden Vogelflug und die Mysterien der Orakelsprüche deutete, die Hieroglyphcnschrift lehrte oder das Bild von Sais entschleierte, aus allen den bedeutungsvoll verhüllten Dogmen ohne Hülfe ihrer Lehrer leicht den Kern erkennen: Es giebt nur einen Gott!
Philä ist es werth, gesehen zu werden. Schon seine Geschichte, klarer und bestimmter, als die anderer Tempel Egyptens, ist von hohem Interesse. Phila, das Grab des Osiris und der Isis, galt als ein besonders heiliger Ort. Dcr Dienst dcr Isis erhielt sich hier noch, als sich die Lehre vom Kreuze schon in Nnteregyp- tcn mehr und mehr verbreitete. Die Nubier, — die Blemier des Alterthums — holten sich von hier in feierlichen Aufzügen ihre Jstsbildcr ab oder schloffen hier mit ihren Nachbarn, den Egyptern, nach einem ihrer wiederholten Kriege den Frieden. Nachdem das Christenthum auch bis hierher gedrungen war, wurde der Jsistem- pel in eine christliche Kirche verwandelt.
Die Tempclhallen sind in dem vollendetsten, reinsten egyptischen Style ausgeführt; jeder einzelne Theil des Bauwerks zeigt von einer mehr ideellen Anlage des Ganzen. Das Schwerfällige, Erdrückende anderer Monumente Egyptens verschwindet, während ein freierer, kühnerer Schwung ganz unverkennbar ist. Leicht gehaltene Knäufe krönen die schlanken Säulen; jeder einzelne ist von den übrigen verschieden, nur die Lotosblume ist allen gemeinsam. Wie ich an einigen noch unvollendeten Kapitalen sah, wurde ihre feinere Bearbeitung erst nach Vollendung des ganzen Baues vorgenommen, woraus sich auch eher die Schärfe und Mannichfaltigkeit des dargestellten Blättcrwcrks erklären läßt.
Im inneren Tempel sind alle Säulen vollendet und über und