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Ja, der Du diese Strophen gedichtet, Du mußt in der Wüste gewesen sein! Du mußt das blitzende Licht des Aethcrs, die Pracht der Gestirne mit leiblichem Auge erschaut haben. Nur der, welchem der Sand sein Schlummerkissen, nur der, welcher stark und frei war, wie Du es gewesen, darf so kühn und freudig Denen mit dem Worte des Vorwurfs entgegentreten, welche ihr Leben hinter dumpfen Mauern vertrauern.
Wohl ist es eine eigene Pracht, die der Städter nie geschaut, wenn Nachts das Heer der Sterne herniederschwcbt zu dem klaren Auge des in der Wüste Ruhenden. Es ist eine Pracht, welche wir, die in eine kalte Zone Gebannten, nicht ahnen können, wenn uns nur der Raum, nicht der trübe undurchsichtige Dunst von jenen Welten trennt, die in der Wüste nur in ewiger Reinheit und Herrlichkeit zu uns herniederschimmern. Dann streift der Geist der Staubgeborenen seine irdische Hülle von sich ab, mit dem Auge schweift er empor zu seinen lichten Höhen und tritt ein in die geahnten Räume. Das Gefühl der Unendlichkeit Gottes erfaßt daS Gemüth, die Seele schwingt sich auf dem Fittich der Andacht zu Dem empor, der alle diese Welten erschuf und leuchten läßt. Die Wüste ist das Bild der Unendlichkeit Gottes, der Tempel, aus dem der irrende Fuß keinen Ausweg findet. Kein Ort reißt stärker zur Andacht hin als sie, keine Zeit ist zum Gottesdienste geeigneter als die Nacht der Oede. Wer in der Wüste nicht die Stimme Gottes zum Herzen tönen fühlt, der kennt Gott nicht, der steht tief unter dem von uns stolzen Christen so mißgeachteten Araber, welcher nach des heißen Tages Last, nach dem beschwerlichen Wege, nach seiner ermüdenden Arbeit sein glühendes Antlitz betend im Sand der Wüste birgt. Auf die Kniee sinkt er, gläubig ruft er die Worte : „^.Ilalr du alebar!" Gott ist größer, — größer als alles Irdische, welches nur seiner Größe Zeugniß giebt.
Aber die Pracht und Erhabenheit der Wüste ist es nicht allein, welche des Menschen Herz zu seinem Schöpfer erhebt, auch ihre Schrecken zeichnen uns das Bild seiner Größe mit Flammen- zügcn in die Brust. Wenn sich dem Menschen das Gefühl seiner