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eigenen Nichtigkeit allzu mächtig aufdrängt, auch dann wendet er sich Trost und Hülse suchend nach oben.
Blutigroth steigt am Morgen die Sonne an dem noch unbewölkten Horizonte herauf, glühend blitzt sie nach einer kleinen Spanne Zeit auf den Wanderer herab. Da schweift das Auge ruhelos umher, um einen kühlenden Schatten zu finden, — überall endet der suchende Blick im Sande. Der brennende Sand wirst die Gluthstrahlen der sengenden Sonne zurück; — kein Felsen, kein wirthliches Dach, um dem ausgedörrten Körper nur ein Plätzchen zur Ruhe, nur einen Augenblick der Kühlung zu gewähren. Längst ist der Gesang der Kameltreiber verstummt. Die Luft zittert vor übergroßer Hitze und spiegelt dem umflorten Auge wogende Seeen, trügerische, höllische Bilder vor; fahlgrau umzieht sich der Himmel, ein glühender Wind, dessen unheilkündenden Namen die erschreckte Karawane zu nennen sich scheut, wirbelt den Staub empor und droht die Schläuche zu verderben, die Schläuche, welche den Lcbenstro- pfen, der die letzende Zunge noch tagelang bcthauen soll, in sich bergen; — der Muth entsinkt dem Manne, nur sein Glaube schützt ihn vor Verzweiflung.
„Hauon asls'ina, str radb, sellem aale'ina Im baraletalr!" (Hilf uns, o Herr, begnadige uns mit Deinem Segen!) so ruft der gläubige Mahammedaner im brünstigen Gebet.
Und der Christ fühlt die Wahrheit seiner Worte und stärkt sein verzagendes Herz an dem felsenfesten Glauben des Sohnes „vom Volke des Gebets."
Und siehe! Die flammende Sonne hat längst schon ihren Scheitelpunkt überschritten, nur noch matte Strahlen wirft sie auf den gcängstigtcn Wanderer. Des Südens gluthhauchendcr Wind weicht einem kühlenden Luftstrom aus Norden, mit ihm entflieht das Gespenst der Wüste: der „See ohne Wasser" oder das „Meer des Teufels", wie es der Eingeborne nennt; ermuthigt sieht der Reisende die Dinge wieder in ihrer wahren Gestalt.
Der Abend kommt heran, strahlend versinkt die Sonne in den Wellen des Sandmceres. Und der Wandrer, dessen Scheitel sie noch vor wenig Stunden versengte, läßt seine Blicke mit Entzücken