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derer sieht sie nicht. Der Nebel ist dichter, undurchsichtiger geworden, die starkgeröthcte Lust nimmt allgemach eine grauere, düstere Färbung an:
„Bleifarben wird die Luft und schwer; so sieht
Das Antlitz eines Menschen, welcher stirbt."
Es herrscht fast Dämmerung. Das Auge durchdringt den Dunstschleier kaum über hundert Fuß weit. Der Tageszeit nach muß es Mittag sein. Da erhebt sich ein leiser, glühender Wind aus Süden oder Südwesten. Stärkere Stöße folgen, abgerissen, einzeln. Jetzt braust der Wind, zum Orkan gesteigert, daher; hoch auf wirbelt der Sand, dicke Wolken verdunkeln die Luft. Er würde den Reiter, welcher sich ihm widersetzen wollte, aus dem Sattel heben, aber kein Kamel ist zum Weitergehen zu vermögen. Die Karawane muß lagern. Den Hals platt auf den Boden gestreckt, schnaubend und stöhnend, legen sich die Kamele nieder; man hört die unruhigen, regellosen Athemzüge der geängstigten Thiere. Geschäftig bauen die Araber alle Wasserschläuche an der sie vordem Winde schützenden Seite eines lagernden Kameles auf einen Haufen, um die der trocknenden Lust ausgesetzte Oberfläche derselben zu verringern; sie selbst hüllen sich in das sie bekleidende Tuch so dicht als möglich ein und suchen ebenfalls hinter Kisten oder Waa- rcnbällm Schutz.
Die Karawane liegt todtenstill. In den Lüsten rast der Orkan. Es kracht und dröhnt: die Bretter der Kisten zerspringen mit gewaltigen Knallen. Der Staub dringt durch alle Oeffnungen, selbst durch die Tücher hindurch, peinigt und quälr den Menschen, auf dessen Haut er sich festsetzt. Man fühlt bald heftige Kopfschmerzen, das Athmen wird schwer, die Brust ist bewegt; der Körper trieft von Schweiß, aber dieser näßt die dünnen Kleider nicht, begierig saugt die glühende Atmosphäre alle Feuchtigkeit auf. Wo die Wafferschläuche mit dem Winde in Berührung kommen, dörren sie und werden brüchig, das Wasser verdunstet. Wehe dein armen Wanderer in der Wüste, wenn der.Samuhm lange währt! Er wird sein Verderber.