Dokument 
Erster Theil
Entstehung
Seite
249
Einzelbild herunterladen

249

-

luken am Nächsten. Wie dieser erwirbt er sich durch sein Betra­gen oft die Liebe eines milden Herrn und mit dieser seine Freiheit.

Das abyssinische Mädchen wird höher geschätzt, als der männ­liche Sklave und verdient es, sei es wegen seiner Schönheit oder bekannten treuen Anhänglichkeit an seinen, nur zu oft grausamen Herrn. Seine Schönheit macht es gewöhnlich zur Conkubine sei­nes Besitzers. Nach türkischem Gesetz ist jede Sklavin frei, wenn sie ihrem Gebieter ein Kind geboren hat; dasselbe hat sogar alle Rechte des von der Frauvor dem Gesetze" stammenden. Deß­halb findet man in türkischen Häusern die Abyssinierin oft frei, oft selbst als Gebieterin des Hauses. Mancher Europäer lebt mit einer Abyssinierin in glücklicher Ehe.

Nach Diesem hätte der Abyssinicr in der Sklaverei ein erträg­liches Loos. Aber dem ist nicht so. Er dient leider oft genug dem Türken in der niedrigsten Sphäre, in welcher überhaupt ein Mensch dem andern dienen kann als Eunuch. Als solcher gleicht er weniger dem Menschen, sondern eher einem scheußlichen Dämon. Es kann nichts Häßlicheres geben, als einen dieser Unglücklichen im späteren Alter. Schon die Kleidung unterscheidet denArha" (wie der Araber den Verschnittenen nennt) von anderen Menschen. Das Gesicht hat etwas Abschreckendes. Fette, aufgedunsene, glän­zende und bartlose Wangen; breite, dicke und schwülstige Lippen und wahrhaft teuflisch leuchtende Augen treten dem Beobachter un­heimlich entgegen. Von Gesichtszügen ist eigentlich Nichts wahr­zunehmen; der ganze Kopf ist eine schwammige, von einem riesi­gen Turban beschattete Fettmasse.

Der Charakter des Verschnittenen entspricht seinem Acnßercn. Es ist, als ob er sich an der Menschheit wegen des ihm angetha­nen Verbrechens rächen wolle. Er ist herrisch, tückisch, falsch und rachsüchtig und behandelt die unter seiner Obhut stehenden Frauen eines Harchm mit ausgesuchter Grausamkeit. Wegen seiner Un- entbchrlichkcit im türkischen Hauswesen steht er über dem übrigen Hausgesinde und tyrannisirt dieses auf mannigfaltige Weise. In den Straßen einer größeren Stadt sieht man den Eunuchen mit erhobenem Stock durch das dichteste Menschengcdränge sich Bahn