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Erster Theil
Entstehung
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309
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Der Umgang beider Geschlechter mit einander ist noch freier, als in Charthum und ähnelt dem leichtfertigen Wesen der Hassa- n'ie. Die Frauen unterscheiden sich in ihrem Betragen von den öf­fentlichen Mädchen Egyptcn's oder Charthum's, welche dem Frem­den unverhohlen ihre Gunstbezeugungen anbieten, wenig oder nicht. Deshalb ist die Hauptstadt Kordofahn's dem sinnlichen Nubier stets ein Ort der Freude; dem gebildeten Europäer erscheint Obeid als Das, was es ist: als die unerträglichste, langweiligste Stadt von ganz Nord-Ost-Afrika.

Der Weg nach Mclbeß führt durch die von mehreren Chuahr durchschnittene Chala. Während der Regenzeit fällt so viel Was­ser auf jene Gegenden herab, daß diese periodischen Flüßchcn auch noch eine Zeit lang nachher Wasser zu erhalten und an ihren Ufern eine blühende Vegetation hervorzurufen im Stande sind. Uebcrall machte sich im Walde ein reges Thierlebcn bemerklich. Wir ritten deshalb langsam und beschäftigten uns mit der Jagd. Nach Ein­bruch der Nacht erreichten wir das Dorf, dessen Berg, der Dje­de! Mclbeß, schon lange sichtbar gewesen war und bezogen eine geräumige Rekuba, in welcher wir uns so gut als thunlich ein­richteten.

Mclbeß oder Mülpeß ist ein ziemlich großes Dorf mit ei­nigen schlecht gehaltenen Gärten und vielen, mit vorzüglichem Wasser begabten Brunnen. Es liegt in einer von allen Seiten her abgeflachten Niederung, ist während der Regenzeit ein Para­dies und zur Zeit der Dürre unzweifelhaft der angenehmste Ort Kordofahn's. Die das Dorf von allen Seiten einschließenden Wäl­der gehen nach Süden zu in die Urwälder der Negcrstaaten Tak- hale, Schcibuhn und Nuba über und beherbergen eine an Individuen und Arten außerordentlich reiche Thierwelt, zu deren Jagd die Bewohner des Dorfes allwöchentlich an bestimmten Ta­gen ausziehen. Tausende von Rindern, Ziegen und Schafen wei-