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der Tischgesellschaft taucht seinen Löffel zuerst in die Suppe, ihm folgen die Ucbrigen nach ihrem Range nach. Auf einen Wink deS Hausherrn verschwindet die Suppenschüssel, im selben Nu steht aber auch schon ein zweites Gericht, bei großen Gastmälern die köstliche „Schöärmä," an ihrer Stelle. Die Schourma ist ein am Spieße gebratenes, mit Reis, süßen Mandeln, Rosinen, Kastanien, Haselnüssen und dergleichen gefülltes Schaf, welches ganz aufgetragen wird. Der Sofredji tritt herzu, streift beide Aermel seiner Jacke zurück und zerreißt das Schaf mit den Händen in mehrere Stücke. Man greift mit den drei ersten Fingern der rechten Hand zu und sucht sich die besten und saftigsten Rückenstücke vom Braten abzuschälen; Messer und Gabel fehlen ganz. Eine solche Mahlzeit steht keineswegs einladend aus, wird aber appetitlicher, als man glaubt, indem man weiß, daß sich jeder Mitesscnde die Hände wusch und seine Speisen immer nur von einer Stelle der Schüssel nimmt. Heute bediente der Hochzeiker seine Gäste selbst und zerriß uns die Schourma eigenhändig. Der in der Bauch- und Brusthöhle des Schafes versteckte Reis wird mit den Fingern oder mit Löffeln herausgeholt. Will aber der Hausherr Jemanden besonders ehren, dann dreht er zwischen seinen Händen kleine Kugeln von dem Reis und steckt sie dem Bevorzugtcir in den Mund. Auch mir widerfuhr diese Ehre. Da half kein Sträuben, ich mußte sie verschlucken, aller europäische Anstand mußte als Vorur- theil angesehen werden. Aber ich rächte mich. Eine der Kugeln hatte ich hinabgewürgt und gedachte Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Ich drehte unserem gütigen Wirthe einen so großen Ballen, daß er ihn kaum in den Mund bringen konnte. „Chalihl Effendi," sagte er, „Du bist in der Kunst, anständig türkisch zu essen, noch sehr unkundig." Der Arglose ahnte meine Tücke nicht. —
Nach der Schourma folgen die Gerichte rasch auf einander. Die Fleischspeisen werden in kleinen Schüsseln aufgetragen und sind in mundgerechte Bissen zerhackt, die Mehlspeisen werden mit den Fingern zerstückelt. Süße und saure Speisen wechseln in bunter Reihe mit einander ab. Der Pillau, jenes bekannte, bei keiner türkischen Mahlzeit fehlende Reisgericht, beschließt das Mahl. Man