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Mann, die Sonne hat mein Haar stebenzig Jahre beschienen und gebleicht, des Alters Silber deckt es, mein Gebein ist mürbe geworden — Ihr könntet meine Kinder sein. Wohlan, so höret, Männer des Frankenlandes, höret auf das, was ich Euch sagen will. Ich spreche die Sprache des wohlmeinenden Warners. Laßt ab von Eurem Beginnen, denn Ihr geht einer großen Gefahr entgegen, unwissend, sorglos — ich aber kenne sie. Hättet Ihr, gleich mir, jene Felsen gesehen, welche, zusammentretend, den Wogen ihre Thür schließen, hättet Ihr es gehört, wie sie, Einlaß und Durchgang begehrend, donnernd, zürnend, mächtig an die ewig feststehenden klopfen, wie sie die Steine überfluthen und mit Gebrüll zur Tiefe stürzen, und wüßtet Ihr, daß nur die Gnade Gottes — 8udImÄiiu vu taals*) — unser gebrechliches Fahrzeug leiten und führen kann — Ihr würdet meinem Rathe folgen. Denkt an Eure Mütter; der Kummer würde sie erdrücken, wenn uns der Segen des Allbarmherzigen verließe!"
Es wurde uns schwer, den Bitten des von uns als redlichen Mann gekannten Alten zu widerstehen. Wir antworteten ihm:
„„Uablioim llauen kmloina, ^.liall korilnn! **)" "
„Nun, so geht mit Gott und seinem gepriesenen Propheten," erwiederte er, „ich will für Euch beten in der Stunde der Gefahr."
„„Amen, o Reis, wir danken Dir, das Heil sei mit Dir!""
„Ds'Mum saicls!" Glückliche Nacht!
Wir legten uns zur Ruhe nieder und schliefen kummerlos die ganze Nacht. —
Am 5. Oktober. Mit Sonnenuntergang wurde es lebendig auf dein kleinen Deck des Schiffleins. Ernste, des Stromes kundige Rcisihn, muntere, glicderkrästigc Matrosen erschienen und boten uns ihre Hülfe an. Unser Schiffsführer wählte die besten und stärksten. Zuletzt kam auf Verlangen auch Bellahl, unser alter Reis, um den jungen Männern mit Rath zur Seite zu stehen. Alle Ruder hatten mehr als doppelte Mannschaft, am Steuer stan-
*) Ihm sei die Bewunderung, denn er ist der Erhabene.
**) Der Herr wird uns helfen; er ist gnädig!
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