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Erster Theil
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den, jetzt sind sie glücklich. Es treibt sie zu singen. Ein junger Nubicr ist lange in Egyptcn gewesen und hat dort eins jener schö­nen Lieder erlernt. Das trägt er vor. Alle lauschen mit größter Aufmerksamkeit. Er beginnt:

O Nacht, o Nacht, zu viel hast Du mir angethan!

O Nacht, den Schlummer raubst Du mir, o Nacht!

Wie oft durchwachten meine Augen Dich, o Nacht,

Und länger, immer länger wirst Du mir, o Nacht!

Doch die auch, die ich liebe, that mir Unrecht,

Denn sie verließ mich, nur die Sehnsucht ließ sie mir!

Wie lange schon, daß ich sie nicht gesehen.

Die sie mein Leben ist und mir mein Herz verwundet,

Die meine Seele mit sich nahm.

O, möchten sie mich Armen bald begraben,

Ach, länger nicht kann meinen Schmerz ich tragen

Doch nicht im dunklen Garten will ich ruhen.

Auf hohen Berges Gipfel sollen sie mich betten.

Dann werden noch im Tode meine Augen sie erschauen.

Und sie wird sagen: Gott begnad'ge Dich,

Der Du vor Liebe starbst; er nahm in's Paradies Dich auf,

Der Du so wahrhaft liebtest!

Am 7. Oktober. Gestern Abend verließen wir Wadi-Haifa, heute landeten wir bei den Felsentempeln von Abu Simbil. Der Eindruck, welchen die hehren Denkmale heute auf mich machten, war größer, als der, welchen ich empfand, als ich zum ersten Male vor ihnen stand. Damals trug ich noch die idealen, lichtvollen Schö­pfungen der alten Griechen in der Seele; jetzt kam ich aus dem Sudahn und jetzt erst verstand ich, das Großartige zu würdigen.

Schon am 10. Oktober landeten wir oberhalb des Dorfes Schellahl bei Assuan. Unser Reis hatte dieses Dorf, seinen Ge­burtsort, seit fünfunddreißig Jahren nicht gesehen. Fast aus allen Häusern kamen alte Weiber hervor, um Den zu bewillkommnen, wel­cher als Jüngling sie, die damals kleine Mädchen waren, ver­lassen hatte. Wir mußten schon erlauben, daß er der nun be­ginnenden Fanthasle beiwohnen durfte und blieben für heute hier liegen.