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Nachdem Eoveredo 1 ) mit dem Lagarinathale im Beginne des XV. Jahrhunderts in den Besitz Venedigs gekommen war, gelangte diese Stadt zu so wichtigen Begünstigungen und so erweiterter Handels­freiheit, dass sie ihren Leder- und Corduan-Industrien jene der Seide anreihen konnte, durch welche sie so berühmt geworden.

Die Verbreitung des Seidenwurmes geschah nur langsam, da erst spärliche Anpflanzungen von Maulbeerbäumen unternommen wurden, worauf die Venezianer jedoch so eifersüchtig waren, dass im Jahre 1505 deren Expert verboten wurde.

Die Seidenindustrie, welche allmälig Fuss tasste, übertraf bei Weitem jede andere bisher ausgeübte Industrie und zog beizeiten die Aufmerksamkeit der Fremden auf sich (1499). Agostino Degli Spinoli, genuesischer Stadtbürger, bot dem Bischöfe Udalrico IV. an, nach Trient als Meister der Seidenkunst zu kommen, um diesen neuen, dort noch unbekannten Industriezweig zu cultiviren. Der Bischof be­willigte dem Genannten, im Einverständnisse mit dem Magistrate, dass derselbe an seinem Bischofsitze nicht nur Sammte, Damaste, Atlasse, Taffet fabriciren dürfe 2 ), sondern daselbst auch sammt seiner Familie und seinen Arbeitern ständigen Aufenthalt nehme. Auf Grund des Uebereinkommens genoss Spinoli, und zwar allein, das ausschliess­liche Recht, Seidenetablissements zu errichten, während die Stadtleute diese Industrie nicht ausüben konnten, ausser jene Wenigen, welche von ihm zu Meistern erklärt werden würden. Schon im ersten Jahre übertraf die entfaltete Thätigkeit die Erwartungen der Bürgerschaft, und die verfertigten Stolle wurden von den Herrschaften angekauft, schmückten herrlich das Innere ihrer Wohnungen und verschönerten die Anzüge. Alle, selbst jene, die weniger mit Glücksgütern gesegnet, doch en- thusiasmirt waren, nahmen nicht Anstand, sich davon anzuschaffen, ohne die Folgen für ihre Familien zu bedenken, so dass bei der im Jahre 1500 zu Bozen abgehaltenen Ständeversammlung: die Be- hörden es für ihre Pflicht halten zu sollen glaubten, sich über den grossen Luxus, welcher in allen Gesellschaftsclassen vorwaltete, zu beschweren. Die Qualität jener Erzeugnisse war sehr gut, und Mariani rühmt die Feinheit der Arbeiten dieser Epoche.

D Dal Ri:Notizie intorno all Industria ed al Comercio del Prineipato di Trento.

2 ) Unwillkürlich springen wir hier auf die Seidenverwebung über, da das Folgende gerade in diese Zeitepoehe passt.