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1810 ersuchen die Wiener Sammt- und Seidenzeugfabrikanten um Einstellung- der übermässigen Befugnissertheilung.

Die Wiener-Neustädter Fabrik wurde bis zum Jahre 1875 von Herrn Ch. Andrae Sohn fortgeführt, ging dann in andere Hände über und besteht heute noch, allerdings aber in vollständig reorganisirter Form.

Oesterreich u. d. E. und vorzüglich Wien 1 ) hat es in der Ver­fertigung der Seidenzeuge in einem sehr kurzen Zeiträume ausser­ordentlich weit gebracht. Schon Kaiser Karl VI. hatte auf die Emporbringung dieses Industriezweiges bedeutende Kosten verwendet. Maria Theresia hob die Seidencultur in Ungarn, schuf mit grossen Kosten Appreturmaschinen, berief Appreteurs und viele der Seiden­weberei kundige Hilfsarbeiter in das Land. Joseph II. gab Vorschüsse und Lehrlingsbeiträge, berief Zeichner und Chineurs (Buntweber), und es hob sich unter seiner thätigen Begierung die Kunst so sehr, dass wohl in Modewaaren die Franzosen an Geschmack und Leichtigkeit die Oberhand behielten, die soliden, schweren, broschirten, fa^onirten und reichen Zeuge von Wien aber den Vorzug vor den französischen behaupteten. Das Jahr 1797 brachte auch die Fabriken in leichten, glatten Zeugen in Flor, da Italien verloren ging und viele dortige Fabriken dem Drucke der Zeit erlagen. Von 17971801 hoben sich die niederösterreichischen und besonders die Wiener Fabriken so weit, dass 8000 Stühle mit grossem Gewinne betrieben wurden. Noch im Jahre 1813 befinden sich in Wien bei 600 Seidenzeug­fabrikanten, welche in guten Zeiten gewiss über 6000 Gesellen, 800900 Lehrlinge und 70008000 Arbeiterinnen beschäftigten; denn zur Emporbringung der Seidenzeugweberei wurde bereits im Jahre 1770 erlaubt, 2 ) dass glatte und fa^onirte Seidenzeuge auch durch Weibspersonen auf dem Stuhle gearbeitet werden durften.

In der neueren, Zeit, besonders seit der Wiedererwerbung der oberitalienischen Provinzen, hat die Anzahl der Seidenzeugarbeiter in Wien ungemein abgenommen, wozu unter vielen anderen Umständen auch folgende zwei beigetragen haben, dass nämlich die hiesigen Fabrikanten in glatten und leichten Stoffen unvermögend waren, die Concurrenz mit Italien auszuhalten, und dass die schweren fa^onirten und reichen

x )Darstellung des Fabriks- und Gewerbswesens im österreichischen Kaiser­staate, von Stephan Edlen v. Keess.

D Laut Verordnung der Kaiserin Maria Theresia.