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einem unglaublichen Aufschwung gebracht, so zwar, dass schon in zweiter Hälfte der Siebzigerjahre der französische Import ganz ver­drängt und Artikel der Möbelposamenterie selbst nach hochentwickelten Ländern, wie z. B. Deutschland und der Schweiz, exportfähig gemacht wurden. Zum Beweis, welch hohe Entwicklung dieser Industriezweig bei uns erreicht hat, diene auch der Hinweis auf den Umstand, dass auf der Pariser Ausstellung 1878, wo alle Länder concurrirten, doch nur eine einzige Firma dieser Branche, und zwar eine österreichische, die goldene Medaille erhielt. J )

Die Arbeitsverhältnisse der gesammten Posamenterie Wiens sind bisher immer ziemlich geregelt und nie von socialen Auswüchsen, wie Streikes u. dgl. angekränkelt gewesen. In den Jahren 18501870 bestanden Schwankungen des Arbeiterstandes, 15002000, bei einer Anzahl von ungefähr 190 Meistern; heute beträgt der Arbeiterstand beiläufig 2500 Arbeiter bei einem Stande von 295 der Genossenschaft angehörenden Meistern, worunter auch mehrere geschäftsausübende Frauen mit inbegriffen sind. Die Zahl der Arbeitskräfte würde eine höhere sein, wenn nicht schon seit Jahren die Confeetionsposamenterie so wenig beschäftigt wäre, worauf wir noch zurückkommen werden.

Im Allgemeinen sind die Umsätze in der Posamenterie be­deutend, und dürften in Ziffern ausgedrückt 5 Millionen Gulden über­schreiten.

Der Hauptverbrauch hiefiir besteht in Baumwollzwirn, Schaf­wollgarn, darunter speciell englische Wefte, Genappe und vielem in­ländischen Kammgarn. Seide wurde in früheren Jahren viel verbraucht und schwerschwarz gefärbte Chappe-Cordenets bildeten einen Massen­artikel. In letzterer Zeit kam die Seide des Eichenspinners (Yama- may), besonders die Tussah zu immer grösserem Gebrauch. Bezüglich letzterer erlauben wir uns einige zeitgemässe, aufklärende Bemerkungen aus unserem Werke:Die Seidenproduction der Erde, beizufügen:

Im Handel und in der Industrie versteht man heute unter Tussah alle von wildwachsenden Würmern gewonnenen Seiden, von hell­brauner, meist glasartig glänzender Farbe. Die Menge der zumeist in Indien in den Dschungeln (Sumpfdickichten) wild lebenden Würmer der Antheräa-Mylitta ist enorm und man begegnet ihnen in allen Wäldern, und in vielen Districten werden sie in freier Luft auf­gezogen, und hat diese Zucht in letzteren Jahren eine grössere Be­deutung erreicht. Der Coconfaden der Antheräa-Mylitta ist ungefähr

*) Luksehanderl & Chwalla in Wien.