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deren praktischer Durchführung sich mittlerweile in- uud ausländische Industrielle beschäftigten, und auf welchem Felde namentlich der Wiener Seidenzeugfabrikant Ant. Chwalla die schönsten Resultate erzielte. Derselbe erwarb sich auch um die Einführung der Seiden­zucht in Niederösterreich grosse Verdienste. Die Lösung des Problems der titrirten Seide gelang ihm in so eminenter Weise, dass er bei einem vom Niederösterreichischen Gewerbeverein hiefiir ausge­schriebenen Concurse, ohne concurrirt zu haben, die goldene Medaille erhielt. Auch Stoffella erhielt (1843) die goldene Medaille.

Die Seiden- und Wolltrocknungsanstalt in Wien.

Im Jahre 1843 beschloss der Niederösterreichische Gewerbeverein in Folge öfterer Anregungen, eine solche Anstalt hier ins Leben zu rufen, um den häufigen Klagen über Verkürzung des Gewichts beim Seiden­kauf wirksam zu begegnen; sohin auch in Wien, wie es auf den grossen Seidenplätzen Lyon, Mailand, Turin etc. der Fall ist, eine Anstalt (Condition, Stagionatur) zur Eruirung des Handelsgewichtes nach dem System Talabot zu gründen. Die Regierung verweigerte aber dem Vereine (als statutenwidrig) die Concession; doch war es eine Folge der Initiative des Vereines, dass endlich das Gremium der Seidenzeugfabrikanten in Wien, die Sache ernstlich in die Hand nehmend, 1855 durch eine Gesellschaft von Seidenindustriellen eine Seiden- und Wolltrocknungsanstalt unter Patronanz der Handels­und Gewerbekammer in Wien errichtete; anfänglich mit unbeschränkter Haftung unter der FirmaSiess, Spannraft & Co., dann vom Jahre 1869 ab als Actiengesellschaft mit beschränkter Haftung. Der Actien- fond bestand aus einem voll eingezahlten Capitale von 31.500 fl. ö. W., in 300 Antheilen (Actien) ä 105 fl. ö. W., wovon im Laufe der Zeit 80 fl. per Actie rückgezahlt wurden, daher eine Actie nur mehr den Nominalwerth von 25 fl. besitzt und das Actiencapital 7500 fl. ö. W. beträgt.

Die Trockenapparate wurden ursprünglich nach dem System Talabot-Persoz-Rogeat durch die freundliche Bemühung Ant. Harpkes sen. aus Lyon beschafft; Messhaspeln und Präcisionswagen sind grösstentheils in Wien angefertigt worden.

In neuerer Zeit befasst sich die Anstalt auch nebst der Con- statirung des richtigen Gewichtes der Seide auch mit der Ermittlung der Feinheit (Titrirung), der Drehung, Filirung, Stärke, Elasticität und des absoluten Gehaltes durch Decreusage (Abkochung).