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in carta rigata— u.s. w., endlich eine Serie eigens für den Unterricht gewebter Stoffmuster. Gleichzeitig mit einem Exemplar dieses Werkes ist dem Technologischen Gewerbemuseum ein Gedenkblatt „Zur Erinnerung an den 19. December 1830“ überreicht worden, mit folgender Erklärung: „Es war ein alter Gebrauch bei der Innung der Seidenzeug-, Sammt- und Dünntuchmacher Wiens, wenn Meisterssöhne freigesprochen (als Gesellen declarirt) wurden, dass von den Mitgesellen des Freigesprochenen der Fabrik, in welcher derselbe auf einem Web- stuhle gearbeitet hatte, derselbe Stuhl zur Freisprechzeit festlich aufgeputzt wurde (mit buntem Papier, Tannenreisig u. dgl.), wobei das Bildniss des Namenspatrons des Gefeierten, ein Blumenstrauss und eine Flasche Wein sammt Trinkglas nicht fehlen durften.
Solches war auch bei dem damals sogenannten „Junggesellen“ Franz Bujatti, Schreiber dieser Zeilen, Sohn des Meisters und Seidenzeugfabrikanten Herrn Georg Bujatti, der Fall, als er im Weihnachtsquartal 1830 nach vorhergegangener, auf seinem Taufscheine schriftlich angemerkten sechsjährigen Aufdingzeit bei der Innung feierlich freigesprochen und sein Webstuhl festlich geschmückt worden ist. Der Freigesprochene, durch diese Ovation erfreut, zeichnete den decorirten Stuhl ab, liess die Zeichnung durch Steindruck vervielfältigen und coloriren und beschenkte jeden Mitgesellen mit einem Exemplar zum Andenken,“
Bei dem Mangel einer mit genügender Autorität ausgestatteten Schule war es zu jener Zeit nicht selten, dass Wiener Fabrikanten ihre Söhne zu deren Ausbildung nach Lyon schickten, welches eine vorzügliche Schule besass, und wenn auch Einzelne hiedurch die erwünschten Kenntnisse erwarben, so machte sich doch das Fehlen einer solchen praktischen Lehranstalt bei uns, mit Bücksicht auf die breiteren Schichten des Nachwuchses, sehr fühlbar. Es beschloss daher der Niederösterreichische Gewerbeverein, der bereits im Jahre 1843 eine Fachzeichenschule unter dem Titel „Copier-Anstalt“ errichtet hatte, derselben eine Webeschule beizugesellen, die im Jahre 1847 unter Friedr. Lindow’s Leitung eröffnet wurde. Lindow, welcher sich in Frankreich umfassende Kenntnisse erworben, war selbst Fabrikant und dann Manufacturzeichner und leitete die Schule so vorzüglich, dass ihr allgemeines Vertrauen entgegengebracht wurde. Lindow hat als Beweis seiner Leistungsfähigkeit ein grosses, aus Seide gewebtes Bild zustande gebracht, das auf weisseui Grunde die beiden Porträts von Kaiser Ferdinand I. und des ihm am Throne