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Lange früher war es mit dem kaufmännischen Unterrichte in Oesterreich sehr schwach bestellt, Lehrzeit, Commiszeit, Empirie das war die allgemeine Kegel, und es darf daher hier eines Mannes gedacht werden, der weitere Gesichtspunkte verfolgte. Es ist dies Johann Geyer, der nicht nur als Gründer der seit langer Zeit und auch heute noch hervorragenden kaufmännischen Lehranstalt genannt werden muss, in welcher zahlreiche Angehörige der Textilbranche ihre commerciellen Kenntnisse erworben haben, sondern welcher geradezu als der eigentliche Begründer des kaufmännischen Bildungs­wesens in Oesterreich bezeichnet werden darf. Im Jahre 1840 errichtete Geyer neben seinen schon einige Jahre früher ertheilten Privat- cursen eine öffentliche Sonntagsschule im Mercantilfaehe, die zu Beginn nur 7 Schüler zählte, doch allmälig zunehmenden Besuches sich erfreute. Im Jahre 1856 übernahm der mehrjährige Mitarbeiter des Herrn Geyer, Herr J. Pazelt, die Schule, die sich gedeihlich weiter entwickelte, so dass sie im 41. Schuljahre in den Tages- und Abend- cursen an 1000 Frequentanten zählte. Nach dem 1885 erfolgten Tode Pazelts ging die Schule an dessen Schwiegersohn, den k. k. Professor Herrn Franz Glasser über 1 ).

Unter den in späterer Zeit entstandenen commerciellen Schulen welche der Privat-Initiative entsprossen, nimmt die Wiener Handels- Akademie den ersten Rang ein. Dieselbe verdankt ihre Errichtung der Anregung Bernh.Willi. Ohligs, Waffenfabrikant und Mitglied der Fieder- österreichischen Handels- und Gewerbekammer. Unter ihren Stiftern befindet sich auch der Seidenzeugfabrikant Theodor Hornbostel 2 ). Diese Schule wurde am 13. Jänner 1858 mit 59 Schülern im Arsenal­gebäude in der Renngasse eröffnet. Im October 1862 übersiedelte dieselbe in das jetzige, nach den Plänen des Architekten Fellner erbaute Haus.

J ) (Hassers FestschriftEin Halbjahrliundert commerciellen Unterrichtes, Wien 1890, befasst sich selbstverständlich sehr eingehend mit Joh. Geyer und dessen riihmenswerther Thätigkeit; besagte Festschrift bietet sehr viel des Inter­essanten über die Entwicklung der Handelsverhältnisse des XVI. und der folgenden Jahrhunderte und zeigt die Anläufe zu einem geregelten natioualökonomischen Unterrichte, worauf hinzuweisen wir nicht unterlassen können.

2 ) Geb. 29. October 1815 zu Wien; studirte Mechanik und übernahm 1841 mit seinem Bruder Otto das Seidenfabrikgeschäft seines Vaters. Schon frühzeitig für gemeinnützige und gewerbliche Interessen thätig, nahm er unter Anderem 1845 an der Leitung der Industrieausstellung in Wien theil und trat 1848 in den perma­nenten Bürgerausschuss. Unter dem Ministerium Doblhoff war er vom Juli bis 10. Octo­ber desselben Jahres Handelsminister, dann Vorstand des Niederösterreiehisehen

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