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Zwanzigerjahren in Oesterreich Jacquardmaschinen in Verwendung kamen, worüber wir bereits eingehender gesprochen, nahm die Aus­dehnung der gewebten Muster grosse Dimensionen an, insbesondere bei Spalier-, Möbel-, Deckenstoffen, Kirchendamasten, Tücheln u. dgl.

Es ist aber nicht immer das Grossartige auch das Schöne, und ging man in Folge der Directive des Kunstgewerbemuseums bald nach dessen Gründung auf kleinere, stylistisch geschmackvollere Dessins über, was sogar beim Tapetendrucke der Fall war.

Es dürfte in der Erinnerung zu behalten nicht unwerth sein, eines Modewechsels der Männerbekleidung zu gedenken, welcher sich bald nach der Mitte des XIX. Jahrhunderts vollzogen hat. Bis dahin wurde in dem KleidungsstückeWeste (Gilet) von altersher ein ge­wisser Luxus getrieben. Dieses Kleidungsstück, welches sich zu auf­fälliger Schaustellung eignet, und welches für gering oder reich meist schmuck voll ausgestattet war, bot viele Abwechslung in der Fabrication, und beschäftigte einzelne Fabrikanten fast ausschliesslich. Bauern trugen an Festtagen Seidenwesten, die mit bunten Blumen eingewirkt waren, die übrige Männerwelt bis zum Cavalier hinauf, Seidenatlas-, auch Seidensammtwesten, glatt und fa^onirt; letztere oft so fein und künst­lich gewebt, dass sie auf 10, 1520 li. und noch höher im Preise per Stück zu stehen kamen. Im vorigen Jahrhundert wurden gerne von höheren Standespersonen reichgestickte Gilets nach französischer Mode getragen.

Zur Sommerszeit bediente man sich für Westen des sogenannten Piquets, aus feiner Baumwolle, zuerst in England erzeugt, welcher Artikel jedoch auch bei uns in der ersten Hälfte gegenwärtigen Jahr­hunderts von den Piquetfabrikanten gut und schön erzeugt wurde (unter diesen war die Firma Westhausser in Wien gut bekannt).

Doch wie Alles hienieden dem Zahn der Zeit verfällt, so hatte es auch mit den hübschen Luxus westen sein Ende, da die Mode, complete Anzüge (mit Inbegriff der Weste) aus einem und demselben Tuchstoffe oder Sommerzeug zu tragen, bald allgemein wurde.

Wir kommen nochmals auf die ersten Deeennien des XIX. Jahr­hunderts zurück, um einen wichtigen Artikel damaliger Zeit, den Brillantinstoff, einiger Betrachtung zu unterziehen.

Wenn schon die Seide, wie das Motto im Beginne unserer Ge­schichte besagt, als Königin unter den Textilstoffen gepriesen wird, so nimmt folgerecht der Brillantinstoff den Ehrenplatz unter den Seidengeweben ein. Diese Stoffe, welche durch verständnisvolles

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