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dorf wurde ohne Wissen des Hofkammer-Präsidenten, und zwar mit Zustimmung des Kaisers, ein Besitzthum des Grafen Ludwig Sinzen- dorf am Tabor zur Erbauung des Werkhauses vorgeschlagen; welches im Jahre 1676 rasch vollendet wurde. Unter den sechs Manufacturen, x welche daselbst in Betrieb gesetzt werden sollten, wird auch die Seidenweberei genannt. Becher hat dieselbe zuerst in den Erblanden zu Stande gebracht. Auf zwei Stühlen wurden reine Seidenbänder, auf zwei Stühlen Eloretbänder gemacht.

Das Verhältniss Sinzendorfs zu Becher hatte sich schon seit einiger Zeit, insbesondere seit der gegen ersteren eingeleiteten Unter­suchung getrübt; dessen zunehmende Feindschaft gegen Becher hinderte eine gedeihliche Entwicklung des für die damaligen Zeit­verhältnisse wichtigen Unternehmens.

Um grösseren Verlusten vorzubeugen, sah sich Becher ge- nöthigt, die Erzeugung wollener Zeuge und seidener Bänder, welche sich bald rentirten, herauszunehmen und in die Umgegend Wiens zu verlegen.

Seine Geschäfte veranlassten ihn 1676 eine Beise nach Deutschland zu unternehmen, um im Aufträge der Hofkammer für den Ausschluss französischer Waaren von deutschen Märkten zu wirken. Nach Oesterreich kam er nicht mehr zurück; denn bald nach seiner Abreise wurde hier absichtlich das Gerücht verbreitet, er sei bankerott und habe sein Unternehmen im Stiche gelassen; er wurde auf alle mögliche Art verdächtigt, seine Briefe erhielten abschlägige Bescheide, und Sinzendorf intriguirte dermassen, dass ihm die Rückkehr unmöglich gemacht wurde. Becher, überall verfolgt, begab sich schliesslich nach England, wo er in London im October 1682 starb. Vor seinem Ende ist ihm noch die Genugthuung geworden, den Sturz des Hofkammer-Präsidenten zu erleben. 1 )

In der Entwicklung der österreichischen Volkswirthschaft bildet Bechers zehnjährige Wirksamkeit einen wichtigen Abschnitt. Trotz aller Misserfolge, welche durch die leidige Finanznoth, den unedlen Charakter Sinzendorfs, die Selbstsucht der Kaufleute genugsam er­klärt sind, müssen wir, ganz abgesehen von einer Menge bedeutender Ideen, welche erst spätere Zeiten verwirklichten, in ihm den Begründer der österreichischen Seidenindustrie, speciell der Wiener Seidenindustrie, ehren. Wenn auch das Manufacturhaus durch die Pest arg geschädigt,

0 Siehe Dr. G. Karsehulin.