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Beim Gremium der Seiden waaren-Erzeuger Wiens befindet sich noch jetzt ein sogenanntes Meisterbuch (Lade- oder Auflagenbuch) in Aufbewahrung, das mit den. Worten beginnt:

Im Nahmen der Allerheiligsten Dreyfaltigkeit Gott Vater, Sohn und heil. Geist, Amen.

Inheit 22. Juni anno 1711, thuen wir hierin benennte Maister und Fondatores der löbl. Seidenzeug- als Sammet-, Brocat- und aller- handt Seiden- und Halbseiden-Zeug, wie solche mögen Nahmen haben, in diesem unserem Brocat-Buch der Maisterschaft angefangen, ein- schreiben, vermög von Ihro Köm. Kaiserl. Majestät Josepho Primo, also in diesem laufenden Jahr aus allerdies: Hochverliehene Privi­legien und Freyheiten. Dann welche sich in dieser löbl. Zunft ein­verleiben werden, sollen eingeschrieben seyn, wie hernach folgt.

Wie eben bemerkt, hat die Eintragung der Meister in diesem Buche am 22. Juni 1711 begonnen, an welchem Tage alle sechs Gründer, Francesco Locatelli voran als erster Vorsteher, mit dem Beifügen, dass er zu Bergamo geboren, eingeschrieben worden sind ; wofür auch eine Gebühr von je 30 Gulden gezahlt worden ist.

Im Laufe des Jahres 1712 wurden 17 Herren, unter welchen einige Italiener, als Meister mit der erlegten Gebühr von je 30 Gulden ein­getragen. Bis zum Jahre 1720 sind zehn Mitglieder hinzugekommen, darunter ein Meister aus Lyon Namens Claude Pitara.

Da inzwischen fünf Meister gestorben und drei Meister aus­gestrichen worden sind, stellte sich die Anzahl der Zunftmitglieder im Jahre 1720 auf 25. Bis zum Jahre 1750 wurden noch nach und nach 51 Mitmeister eingeschrieben. Die Durchschnittsgebühr war mit 30 Gulden festgesetzt, Meisterssöhne jedoch oder solche Meister, welche eine Meisterswitwe oder -Tochter ehelichten, oder Einheimische, die hier gelernt hatten, durften bei ihrer Einschreibung in das Lad­buch nur 20 Gulden bezahlen. Fremde Meister, die hier nicht gelernt hatten, mussten 40 Gulden bezahlen.

Während das erste Meister-Auflagenbuch, im Juni 1711 be­ginnend, die Eintragungen der allmälig beitretenden Mitmeister bis

kümmern, während die Kleinmeister ihre ganze Aufmerksamkeit und Capitalskrafr der Erzeugung zuwenden mussten, ohne sich bezüglich des Verkaufes absorgen zu müssen; gewiss ein gesundes und gedeihliches Verhältnis, welches in Frankreich die Seidenindustrie zu kolossaler Bliithe gebracht hat.

In England besteht ein beinahe ähnlicher Usus, indem meist Commissions­häuser den Versehleiss der fabricirten Waaren auf eigene Rechnung besorgen.