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keiten gänzlich, und waren zur Erlangung des Ausübungsrechtes weder Meisterproben noch andere Förmlichkeiten erforderlich, wie selbe bei den verwandten Industriezweigen noch theilweise bis zur Einführung der Gewerbefreiheit üblich gewesen. Die Kähnelsche Fabrik ging in Folge Ablebens des Gründers im Jahre 1776 an Thaddäus Berger über und gelangte zu grosser Ausdehnung. Letzterer errichtete 1788 eine Floretspinnerei. Kähnels Witwe erhielt von Kaiser Joseph II. ein Local auf der Landstrasse zugewiesen, wo sie, wieder verehlicht, unter dem Namen Sanguin ihr Geschäft fort­setzte.

Die älteste der jetzt (d. i. 1824) bestehenden Seidenstofffabriken *) ist die des Christian Gottlieb Hornbostel, welche schon im Jahre 1768 von Hornbostel, eines Predigers Sohn aus Hamburg, für Rechnung eines Hamburger Hauses ohne alle Vorschüsse oder Unterstützung der Staats­verwaltung errichtet wurde, noch zur Zeit, wo in Hamburg ansehn­liche Sammtfabriken bestanden haben, was jetzt nicht mehr der Fall ist. In Kurzem übernahm Hornbostel diese Fabrik auf eigene Rechnung, welche durch Kaiser JosephsII. Prohibitivsystem sich so sehr vergrössert hatte, dass sie im Jahre 1790 eine Zeit lang schon mit 200Stühlen arbeitete. Im Jahre 1809 starb Hornbostel, und seitdem besteht die Fabrik blühend fort in Gesellschaft der Frau Witwe und des Sohnes Christian Georg, unter der Leitung des Letzteren. Manche nützliche Erfindung wurde in dieser Fabrik gemacht und cultivirt, und noch im Jahre 1816 erhielt Ch. G. Hornbostel ein ausschliessliches Privilegium auf seine selbstwebenden Stühle, welche zu Leobersdorf weben. * 2 )

Auch Jos. Mestrozzi hat in den Achtzigerjahren Vieles zur Emporbringung der Seidenweberei mitgewirkt, wie denn die von ihm gegründete und von seinen beiden Söhnen Paul und Vitalis fort-

DDarstellung des Fabriks- und Gewerbewesens im österreichischen Kaiser­staate von Steph. Edlen v. Kees (1824).

2 ) Christ. Georg Hörnbostel war der eifrigste Vorkämpfer auf dem Gebiete seines Industriezweiges. Sichert ihm die Erfindung des selbstthätigen Seidenweb­stuhles einen Ehrenplatz in der Geschichte der Weberei überhaupt, so bewahren ihm seine Bemühungen um Einführung der titrirten Seide und um Errichtung einer Seidentrocknungsanstalt zu Wien, worüber wir noch später sprechen werden, das wärmste Andenken. Christ. G. Hornbostel war geb. 15. Mai 1778, gest. 6. Juni 1841. Nachdem der letzte Chef der Firma, dessen Sohn Herr Otto Hornbostel, im Jahre 1890 mit Tod abgegangen, ist das altberühmte Geschäft, welches 122 Jahre bestanden, aufgelöst worden.