80
Die Fabrication der Sammtbänder ist gleichfalls im Lande unter der Enns am stärksten und vollkommensten, und zwar in Wiener-Neustadt und Wien. Schon früher bestanden mit Aerarial- unterstützung in Wien die Sammtbandfabrikanten Honig & Klein; nachdem aber in den Jahren 1787—1790 durch die Einwanderung der Herren Andrae und Karl Friedr. Bräunlich in Wiener-Neustadt die Sammt-, Roll- und Pfnndgallonenfabrication auf Schubstühlen eingeführt wurde und viele Begünstigungen vom Staate erhalten hatten, so waren jene genöthigt, ihre Werke ganz einzustellen.
„Auch die Gebrüder Mohr haben zu Wiener-Neustadt eine bedeutende Sammtfabrik, diese Firma bestand übrigens nur kurze Zeit. In fa^onirten Sammtbändern nach Niederländer oder Crefelder Art zeichnet sich Leonhard Schlecht in Wien vorzüglich aus, und von den übrigen Sammtbandfabrikanten der Hauptstadt verdienen noch Hermann Götges, Franz Spiegel, Joh. Berger und Georg Och mit Auszeichnung genannt zu werden. Die meisten dieser Fabrikanten arbeiten auf Schubstühlen von 2—14 Läufen, gegenwärtig jedoch auch glatte Waare auf Mühlstühlen. In den Provinzen wird von Sammtbändern sehr wenig verfertigt, und fast einzig bloss im lombardischvenezianischen Königreiche, wo Venedig, Padua, Mailand und andere Städte Sammtbänder liefern. Die Wiener Bänder behalten unstreitig den Vorzug; während sie vormals dicker und höher gemacht wurden, sind sie jetzt schöner und leichter, und die fa^onirten mit Figuren in mannigfaltigen Farben insbesondere sind noch besser als die ausländischen von Crefeld, Cöln, Elberfeld, Iserlohn, Eschweiler u. s. w. Indessen kommen noch immer viele Gesellen in die Wiener Sammt- bandfabriken.“
Das Bild, welches uns Keess entrollt, ist das anheimelnde patriarchalische der damaligen Zeit, der Zeit des „Brillantengrundes“, des behäbigen bürgerlichen Mittelstandes. Wer sein Geschäft nicht geradezu unrationell betrieb, und nicht etwa leichtsinnig wirthschaftete, konnte in demselben selbst bei kleinerem Betriebe, wie derselbe heute gar nicht mehr möglich wäre, die sichere Quelle des Wohlstandes erblicken. Man kann auch eine nicht gewöhnliche Geschicklichkeit der damaligen Erzeuger sowie auch ihrer Arbeiter constatiren; die Wiener Bandfabrication war in Bezug auf Geschmack, Wahl der Farben, Dessins, nette Ausführung, Güte und Preiswürdigkeit der Fabrikate überaus concurrenzfähig geworden; es war nur die Unzulänglichkeit der Zurichtung zu beklagen, da es nicht selten vorkam, dass gelungene