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stehender und die Einführung neuer Manufacturen fördernden Einfluss zu nehmen.

Die so schöne Absicht der Kaiserin war aber nicht sobald vom besten Erfolge begleitet, weil die Einrichtungen, die vorgeschriebenen Ordnungen und die vielfach bestehenden Beschränkungen eine freie Bewegung der Seidenindustrie hemmten.

Dennoch besserten sich die Zustände in Görz, es vervollkommneten und vermehrten sich die Seidenspindeln, und die Zahl der Webstühle, deren im Jahre 1700 bloss 30 waren, stieg 1782 in der Stadt auf 462.

Gleichen Schritt hielt auch die Anpflanzung der Maulbeerbäume sowie die Aufzucht der Seidenwürmer, durch die Sorgfalt des Grafen Julius Strassoldo, welcher der Commerzversammlung präsidirte.

Neue Vortheile bereicherten die Seidenmanufactur durch die von Joh. B. Poli 1764 gegründete Bandfabrik und durch die in vielen anderen Orten unbekannte Kunst, die Seidenstoffe zu lustriren (denselben Glanz zu verschaffen).

Endlich, nachdem die alten Verordnungen, durch welche die Seidenfabrikanten gebunden waren, aufgehoben wurden, entwickelte und vermehrte sich die Verarbeitung der Seide, geschützt durch das von Kaiser Josef (1784) erlassene Einfuhrverbot aller Arten fremder Seiden- waaren in das Kaiserthum Oesterreich.

Durch solche Massregeln stieg die Anzahl der Webstühle in Görz allein im Jahre 1789 auf 700; obwohl die Waare nicht jene Vollkommenheit besass, die doch sonst bei Wetteifer und Ooncurrenz vorzukommen pflegt.

Es mag vielleicht wenigstens theilweise dem oben gerügten Uebelstande der Unvollkommenheit zuzuschreiben sein, dass die Er­zeugung von Seidenstoffen in Görz nach und nach zurückgegangen ist und in neuerer Zeit ganz aufgehört hat, und ist es ein gewiss merkwürdiger Contrast, einen so urwüchsigen Industriezweig, wie es die Seidenverwebung inmitten eines so bedeutenden Seidenproductions- gebietes offenbar ist, nicht floriren zu sehen, während die Seidenweberei, welche bis über die Mitte des XIX. Jahrhunderts in W T ien und Umgebung bestand, aber aus Gründen, die im Laufe unserer Geschichte des Nähern erörtert werden, in neuerer Zeit zumeist in nördlichen Provinzen der österreichischen Monarchie untergebracht ist und das erforderliche Seidenmaterial aus weiter Ferne beziehen muss, eines gedeihlichen Aufschwunges sich erfreut. Es ist wohl klar, dass grösserer Unternehmungsgeist, sowie bessere Ausbildung der hiesigen