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Geschäft aus, figurirten daher nur nominell in dem Verzeichnisse; ein Drittel ist, weil verarmt, nicht als selbstständig zu betrachten; ein grosser Theil arbeitete nur in kleinem Massstabe, mit wenig Handstühlen, etwa 30—40 Fabrikanten unterhielten Etablissements von ■einiger Bedeutung.“ Bis dahin ist nur mit Handstühlen gearbeitet worden, ausgenommen jene Kraftstühle, welche Hornbostel seit dem Jahre 1816 in Leobersdorf und Ph. Haas seit den Yierzigerjahren beschäftigte. In dem Berichte der Kammer heisst es, dass im Jahre 1856 40 selbstwebende Stühle im Betriebe standen. Das Namensverzeich- niss der Seidenwaarenerzeuger Wiens 1889 weist nur mehr 82 Fabrikanten auf, wovon etwa 42 ein Geschäft betreiben, von denen jedoch bei 20 Firmen hervorzuheben sind, die im grossen Style arbeiten. Ein sprechender Beweis hiefür sind die von Wiener Fabrikanten erbauten grossartigen Etablissements in entfernt gelegenen Provinzen, vornehmlich in Mähren und Böhmen, mit Einrichtungen für Webstühle — hauptsächlich Kraftstühle — und Hilfsmaschinen aller Art und neuester Construction unter Anwendung vorzüglicher Dampf- und Wassermotoren.
Die Lage der Seidenwaarenfabrikanten Wiens gestaltete sich seit Zulassung der auswärtigen Concurrenz — in Folge reducirter Zölle, womit in den Fünfzigerjahren begonnen wurde — immer bedenklicher; die Löhne stiegen, da auch die Lebensmittel theurer wurden, die hiesigen Arbeitskräfte genügten kaum mehr den Ansprüchen steigender Betriebsamkeit, und wurde die Situation um so unerquicklicher, als sie auch bisweilen durch kleine Strikes beunruhigt wurde. Dagegen standen weit billigere und gut verwendbare Arbeitskräfte in den Provinzen zur Verfügung und wurden damals sogar von der Olmützer Handels- und Gewerbekammer die nördlichen Bezirke Mährens unter Anschluss einer Situationskarte dem Niederösterreichischen Gewerbevereine empfohlen. Unter so bewandten Umständen entschlossen sich mehrere hiesige Industrielle, mit ihren Seidenfabriken in entfernte Kronländer Oesterreichs zu übersiedeln, jedoch immer unter Beibehaltung der Verkaufsstelle ihrer dort erzeugten Waaren in Wien.
Diese in energischer Weise von Wiener Häusern — darunter auch einigen sehr hervorragenden Seidenband-Fabrikanten — unternommene üebersiedlung, welche auch durch glückliche Erfolge gekrönt wurde, hat die Seidenindustrie Oesterreichs gerettet und ist ganz und gar das Verdienst der Wiener Industriellen, denen hiefür alle Anerkennung gezollt werden muss.