Wohl kaum hat ein anderer Industriezweig einen so intensiven Umschlag erlebt, wie es bei der Seidenfärberei durch die Erfindung der Theerfarben der Fall gewesen; und man kann behaupten, dass diese Farben in allen Zweigen der Seiden-, Schaf-, Baumwollfärberei und -Druckerei das Feld behaupten.

Als Dr. F. Runge in Breslau im Jahre 1834 bei der Destillation des Steinkohlentheers das Anilin fand, welches sich mit Chlorkalk violet färbte, und als 1856 Perkin das Mauvein darstellte, ahnte Niemand die Folgen dieser Entdeckungen.

Bedeutung konnte das Anilin erst gewinnen, als es gelang, das­selbe aus dem Nitrobenzol durch Reduction fabriksmässig darzustellen. Mehr als 300 künstlich organische Farben werden heute aus Benzol, seinen Homologen Naphtalin und Anthracen gewonnen.

Guinon in Lyon war einer der Ersten, welche (1847) aus dem schweren Steinkohlentheer die Pikrinsäure im Grossen erzeugten. Die Leichtigkeit damit zu färben, die an und für sich schöne grünlich­gelbe Farbe, der billige Preis verschafften derselben raschen Ein­gang in der Färberei.

Im Jahre 1857 brachte Perkin das Mauvein auf den Markt und erregte mit demselben grosses Aufsehen.

Im Jahre 1856 bemerkte Nathanson die Bildung des Fuchsins, fast gleichzeitig erhielt dasselbe A. W. Hofmann in London; mit dieser Entdeckung trat eine neue glanzvolle Epoche in der Färberei ein.

Die Firmen Roquencourt, sowie Mermet und Dury in Lyon erzeugten bald Fuchsin im Grossen.

Die preussische Regierung erkannte mit richtigem Blick die Wichtigkeit dieser Erfindung, und bemühte sich mit grossen Opfern, diesen Industriezweig dem Deutschen Reiche zu erringen, zu erhalten; es wurden die bedeutendsten Tinctoralchemiker an die Hochschule berufen, so dass der immer mehr und mehr zur Entwicklung gelangte Industriezweig bereits vorgebildete, geschulte Elemente vorfand, um ihm die geeignete Heimstätte zu sichern.

Thatsächlich war die Bemühung der preussischen Regierung vom schönsten Erfolge gekrönt, da behauptet werden kann, dass die deutschen Farbenfabriken den ersten Rang in der Welt einnehmen und die daselbst erzeugten Theerfarben in den letzten drei Decennien den Werth einer Milliarde Mark repräsentiren.