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die gewerbliche Lohnarbeit ausserhalb des Hauses in Manufakturen und Fabriken.

Seit dem Ausgang des Mittelalters begann mit der den Über­gang zur modernen Grossindustrie vermittelnden Hausindustrie, die im 17. und namentlich im 18. Jahrhundert die weiteste Verbreitung er­langte, die gewerbliche Frauenarbeit mehr und mehr sich auszudehnen, und zwar gerade auf denjenigen Arbeitsgebieten, für welche Frauenkräfte sich vorzugsweise eignen. In der Textilindustrie, insbesondere in der Spinnerei, Wirkerei, Stickerei, auch Weberei u. s. w. erlangte diese Form des Gewerbebetriebes ihre grösste Bedeutung und hat sich hier und im Bekleidungsgewerbe bisher am meisten behauptet.

Eine weit grössere Bedeutung noch erlangte die Frauenarbeit seit Erfindung und Anwendung der Maschinen. Die Einfachheit und Leichtigkeit der erforderlichen Verrichtungen liessen die ungelernten und schwächeren Kräfte der Frauen und sogar Kinder ausreichend erscheinen; ihre grössere Billigkeit, teilweise auch der Vorzug grösserer Handgeschicklichkeit, sicherten ihnen in weitem Umfange den Vorzug vor den Männern. Hierzu kam, dass die Entwicklung des Maschinen­wesens gerade bei der Spinnerei und andern Zweigen der Textilindustrie einsetzte, in denen die Frauen ohnehin allgemein gewerblich beschäftigt waren. Die Technik des Betriebes, welche die Verwendung mecha­nischer Kraft, zuerst der Wasserkraft, dann der Dampfkraft, erforderlich machte, nötigte zur Vereinigung der Arbeitskräfte in grösseren ge­schlossenen Räumen. So wurden die Frauen und Mädchen aus den Häusern in die Fabriken gezogen.*)

In erster Linie und in grösster Ausdehnung geschah dies auf denjenigen Arbeitsgebieten, die von jeher den Frauen oblagen, wie der Bekleidungsindustrie u. s. w. Aber es geschah auch in einer grösseren Anzahl anderer Arbeitszweige, in denen die Frauen den Männern jetzt starke Konkurrenz bereiten.

Von England aus verbreitete sich der auf Maschinenverwendung begründete Fabrikbetrieb über den Kontinent. Ausser den lediglich auf ausgebildeter Arbeitsteilung beruhenden Manufakturen kam das Fabriksystem immer mehr zur Herrschaft, während zugleich die zur allmählichen Durchführung gelangende Gewerbefreiheit die weibliche Arbeit von den bisherigen Fesseln befreite. Die schnell sich entwickelnde Grossindustrie verdrängte vermöge ihrer gewaltigen technischen Über­legenheit eine haus wirtschaftliche Verrichtung nach der andern und setzte hierdurch wiederum die ihr nötigen weiblichen Arbeitskräfte frei.**)

Die Erfindungen und die Verwertung des Dampfes haben den

*) 1708 wurde in England die erste Baumwollspinnerei gebaut, und schon 1788, also noch vor Anwendung der Dampfkraft, gab es in England und Schottland 142 Fabriken, in denen neben 26000 Männern und 35000 Kindern 31 000 Frauen im Spinnen allein beschäftigt wurden. In der zugehörigen Weberei, Druckerei u. s. w. arbeiteten weiter neben 133 000 Männern und 48000 Kindern nicht weniger als 59000 Frauen.

**) Frauenarbeit und Frauenfrage, im Handwörterbuch der Staatswissenschaften vou Conrad, Elster, Lexis und Loening. Jena, Gustav Fischer .2. Autl. 1900. HI. Band S. 1207 f.