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Frauenhänden in den Familien kaum den zehnten Teil der Arbeiten auf dem Gebiete der Textil-Industrie gelassen, den sie vor dem 19. Jahrhundert hatten. Durch die Nähmaschine ist die eigentliche Frauenarbeit des Nähens vermindert worden. Das Kleingewerbe droht überhaupt von der Fabrik-Industrie verschlungen zu werden. Was früher vereinzelt und im Hause hergestellt wurde, wird jetzt viel schneller und erheblich billiger in der Fabrik angefertigt. Ein be­kanntes Beispiel liefert die Strickmaschine. Ein einziges Mädchen setzt sie in Bewegung, so dass dasselbe an einem Tage schafft, was zwanzig Frauen in sechs Wochen oder eine einzige in fast zwei Jahren an Strümpfen zu Stande bringen würde, wenn sie mit der Hand ar­beitet. Da also die Arbeit der Frauen im Hause aufhörte, so mussten andere Gebiete für sie erschlossen werden.

Durch die fabrikmässige Herstellung mancher Lebensbedürfnisse fand die Frau bei Arbeiten Verwendung, die früher für sie nicht existirten. Hierdurch ist vielfach eine andere Arbeitsteilung zwischen Mann und Weib notwendig geworden. Dieselbe hätte indess ohne unüber­windliche Schwierigkeit und ohne tiefe Schädigung des Familiengeistes vor sich gehen können, hätte nicht mit der neuen Erwerbsart auch ein neues Erwerbsziel in der modernen Gesellschaft die Oberhand er­halten, das unter dem Namen Kapitalismus bekannt ist. Warenmengen werden fabrikmässig erzeugt, nicht sowohl um den wirklichen Bedarf zu decken, als um Geld zu erwerben. Nach diesem Prinzip werden Waren in Massen auf den Markt geworfen, die bei weitem die Nach­frage übersteigen. Auch das Weib, das von der Existenzsorge auf die Handarbeit angewiesen ist, beteiligt sich an diesem kapitalistischen Streben oder wird dazu missbraucht.

Auch in der Landwirtschaft vollzogen sich bedeutsame Wand­lungen, die nicht ohne Einfluss auf die Gestaltung der Frauenarbeit blieben. Zwar waren weibliche Kräfte auf Hof und Feld, namentlich bei vorübergehender Arbeitshäufung (zur Zeit der Ernte u. s. w.) von jeher herangezogen worden. Als jedoch infolge der zunehmenden Aus­breitung der intensiven Betriebssysteme, namentlich durch Ausdehnung des Hackfruchtbaues, der Arbeitsbedarf sich steigerte, suchte man in weitem Umfange durch Heranziehung der billigeren Frauenarbeit diesen Bedarf zu decken.

Unter den ländlichen Wanderarbeitern, die in Deutschland aus weit entfernten Gegenden und selbst aus dem Auslande den grösseren Wirtschaften höher entwickelter Distrikte zugeführt werden, ist regel­mässig auch das weibliche Geschlecht stark vertreten. Von den sogen. Sachsengängern (jährlich etwa 100 000) ist sogar die Mehrzahl Frauen, unter denen hinwiederum die Unverheirateten und Jüngeren weitaus überwiegen. Mangel an Arbeitsgelegenheit und Verdienst sind es in der Regel, die sie bewegen, Familie und Heimat vorüber­gehend zu verlassen.

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