II. Abschnitt

Die Frauen im Handel

I. Der Anteil der Frauen am Handel

Wohl selten ist der Andrang zu einem Fache so schnell ge­wachsen, wie gerade zum Handelsfach, und es haben sich Frauen befähigt erwiesen, den Posten einer kaufmännisch Angestellten so gut auszufüllen, wie ihre männlichen Kollegen. Allerdings haben sie sich erst in neuster Zeit Stellungen im Handel errungen. Als vor etwa 50 Jahren auf einem der ersten Frauentage in Amerika, Abbey H. Price, eine der ersten Verfechterinnen der Frauenbewegung, die Forderung aufstellte, man möchte den Frauen mehr Berufe zugänglich machen und vor allem sie in Geschäften als Verkäuferinnen beschäf­tigen, erregte diese Forderung Erstaunen und Heiterkeit.

In Deutschland erklärte der Präsident Lette in seiner Denkschrift, in der er die Notwendigkeit darlegte, den unverheirateten Frauen der mittleren und höheren Klassen im Bereich gewerblicher und tech­nischer Beschäftigung eine Stelle einzuräumen, noch im Jahre 1866, dass diese Frauen bis dahin eigentlich nur die Wahl hätten, als Nähterinneil oder als Gouvernanten ihr Leben zu fristen. Am 0. April 1863 wurde die erste deutsche Lehranstalt für erwachsene Töchter zur Ausbildung für das praktische Leben im kaufmännischen und gewerblichen Geschäftsbetriebe in Leipzig ins Leben gerufen; am 1. November 1863 richtete Lehrer Lohff in Berlin ,,Lehrkurse für junge Mädchen zur Vorbereitung für den kaufmännischen und gewerblichen Geschäftsbetrieb ein, und am 22. Januar 1866 ent­stand der vom Präsidenten Lette gegründeteVerein zur Förderung der Erwerbsfähigkeit des weiblichen Geschlechts. Dieser letztere, der seinem Begründer zu Ehren später Letteverein benannt wurde, wirkte am nachdrücklichsten, indem er nicht allein eine Handelsschule er- öffhete, sondern auch auf die Geschäftsinhaber einzuwirken suchte, weibliche Lehrlinge und Angestellte anzunehmen.

Kellen, Die Frauen im Handel und Gewerbe

3