9
Frauenüberschusses der Grossstädte teils auf die Erwerbsgelegenheit zurück, welche sich vielfach gerade hier, und zwar namentlich in den Städten mit Tabak- oder Textilindustrie, für umfassendere Bethätigung der Frauenarbeit bietet, teils auf die Verschiedenheit der Altersgliederung, welche die beiden Geschlechter in den Städten aufweisen, und zwar in der Weise, dass die Frauen in den höheren Altersstufen stärker vertreten sind, als die frühzeitiger absterbende männliche Bevölkerung. Nur 9 von den 36 Regirungsbezirken Preussens zählten auf 100 Männer weniger als 100 Frauen, keiner aber weniger als Arnsberg mit seinen 92,85 Frauen auf 100 Männer. Von den 27 deutschen Grossstädten hat einen noch geringeren Anteil der Frauen an der Bevölkerungsziffer nur Strassburg, nämlich 90,27 Frauen auf 100 Männer. Dies Zurückbleiben der Zahl der Frauen hinter derjenigen der Männer in Grossstädten ist die Folge besonderer wirtschaftlicher Verhältnisse, die den männlichen Teil der Bevölkerung erheblich verstärken, wie Industrie und Garnisonen etc.
Über die Hälfte der heiratsfähigen Bevölkerung war nach der Zählung von 1895 verehelicht. Am höchsten war die Heiratsfrequenz in der Altersstufe 30—50 Jahre, w r o der Prozentsatz der Verheirateten 80°/o erreichte, für die Männer sogar 83,14, für die Frauen 77,61°/ 0 . Mit zunehmendem Alter nimmt das Verheiratetsein ab, aber noch mehr bei den Frauen als bei den Männern, während die Reihen der Witwer und Witwen sich verstärken. In der Altersstufe von 16—30 Jahren ist noch der ledige Stand vorherrschend, nur 18,37°/ 0 der Männer, etwas mehr beim weiblichen Geschlecht, aber immerhin auch nur 29,24°/ 0 , sind verheiratet.
Bei allen Kulturvölkern liegen die Verhältnisse ähnlich wie in Deutschland. Denn da nirgends die sozialen Verhältnisse dem Einzelnen die Eheschliessung schon bei Eintritt der Pubertät, sondern stets erst in einem späteren Zeitpunkt gestatten, da ferner das Heiratsalter bei den Männern durchschnittlich ein Höheres ist, als das der Frauen, da ferner zweite Ehen von den Männern häufiger eingegangen werden, als von den Frauen und endlich ein Teil der Männer auf die Ehe ganz verzichtet*)—in Deutschland zirka 10 Prozent — so muss es überall und stets eine grosse Anzahl lediger und verwitweter Frauen geben. Von diesen ist der grösste Teil darauf angewiesen, entweder sich durch eigene Erwerbsthätigkeit seinen Unterhalt zu gewinnen oder aber wie die Mehrzahl der verheirateten Frauen für den in der Familie gewährten Unterhalt in wirtschaftlicher Arbeit ein Äquivalent zu bieten.
*i Über Ehe und Ehelosigkeit siehe Westermarck, Geschichte der menschlichen Ehe. Deutsch von Kätscher u. Grazer. Jena, Hermann Costenoble 1893. S. 131—153.