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ist auch noch keine Aussicht dafür vorhanden, doch giebt es deren eine ganze Anzahl, die teils durch Vereine, teils durch Privatpersonen mit guten Erfolgen geleitet werden und unter staatlicher Aufsicht das übernehmen, wozu die Schule nicht das geeignete Feld ist. Hierzu wären in erster Linie Weissnähen, Schneidern, Putzmachen zu rechnen. Die Ausübung dieser drei Thätigkeiten ist auch nach erfolgter Ver­heiratung möglich, und es ist gewiss für eine Frau ein befriedigendes Gefühl, wenn sie auch ihrerseits zur Hebung des Familienwohlstandes beitragen kann. Die Fortbildungsschulen und andere von Frauen­vereinen ins Leben gerufene Anstalten sind redlich bestrebt, zur gründ­lichen Bildung der weiblichen Jugend beizutragen und die Erwerbs­fähigkeit derselben zu fördern.

Gross ist die Anzahl der jungen Mädchen, die in guten Familien eine Stellung als Jungfer, Stütze, Erzieherin, Gesellschafterin und dergl. einnehmen wollen, doch sollten auch sie bedenken, dass sie sofort ein ganz anderes Ansehen geniessen und pekuniär weit besser gestellt sind, wenn sie das nötige Mass von Kenntnissen und Fertigkeiten mitbringen, dass sie sich damit auch manche bittere Ent­täuschung und üble Erfahrung ersparen.

Sehr oft finden jetzt junge Mädchen in kaufmännischen Stellungen, in den Kontoren der Fabriken, der Rechtsanwälte, der Behörden u. s. w. guten Verdienst, doch ist solchen, die sich einen derartigen Platz wünschen, dringend zu empfehlen, sich neben all­gemein kaufmännischen Kenntnissen insbesondere auch Sprachkennt- nisse und völlige Sicherheit in deutscher Rechtschreibung anzueignen.

Um allen Ansprüchen auf diesem oder jenem Gebiete gerecht werden zu können, gewähre man auch dem der Schule erwachsenen Mädchen noch eine entsprechende Lernzeit, die nicht zu knapp be­messen werden und wenigstens l 1 /.-, Jahr dauern sollte.

Man hat bereits vielfach aufgeräumt mit den überlieferten An­schauungen über die Bestimmung der Frau zum stillen Schaffen im Hause. Mit idealistischen Versen Schillers kommt man im rauhen Kampf der Wirklichkeit allerdings nicht weit. Es ist nun einmal eine Thatsache, dass es mehr Frauen als Männer giebt. Die müssen natürlich die Möglichkeit haben, ihren Lebensunterhalt zu erwerben. Und so gut ein rechter Mann bei der Berufswahl seinen eigenen Weg geht und sich einer Thätigkeit zuwendet, zu der ihn Neigung und Anlage ziehen, ebenso gut muss das auch dem Mädchen mög­lich sein. Es nützt auch nichts, dass man darüber grollt und jammert; es ist mit dieser Bewegung wie mit allen anderen: nachdem die Sache einmal in Gang gekommen ist, geht sie ihn auch zu Ende. Und dies Ende kann naturgemäss nur das sein, dass die meisten Berufe den Frauen geöffnet werden. Vermutlich wird ja die Praxis dann ergeben, dass in gewissen Berufen doch die Männer bevorzugt werden, weil sie sich mehr dazu eignen, und dass ihnen die Stellungen