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München, Hamburg u. s. w. beziehen und die davon nicht nur ihren Lebensunterhalt, sondern noch anständige Kleidung beschaffen sollen.*)

Für die Beurteilung der wirtschaftlichen Lage der Handlungs­gehilfinnen kann ebensowenig die rege Handelsthätigkeit Hamburgs oder die Berlins massgebend sein, wie etwa die spiessbürgerliche Ruhe einer mitteldeutschen Kleinstadt, sondern nur die Verhältnisse in einer Stadt grösseren Umfanges, in der jeder Zweig von Handel und In­dustrie ausreichend vertreten ist, und wo sich der allgemeine Geschäfts­gang in ruhiger und unternehmender Weise abwickelt. Nach dem Volkswohl bietet München ein solches normales Bild, von dem aus sich auf den allgemeinen Stand im Deutschen Reiche mit an­nähernder Wahrscheinlichkeit schliessen lässt.

Mit ganz vereinzelten Ausnahmen steht die übergrosse Mehrzahl der Handlungsgehilfinnen in Deutschland bis zur Gehaltsgrenze von 2000 M. das Jahr mit männlichen Gehilfen in Wettbewerb. Die wenigen Mädchen und Frauen, die 180200 M. monatlich verdienen in Banken, Brauereien, Konfektions- und Weisswaren-Geschäften, verdanken dieses Einkommen nicht einer übermässigen Leistungsfähigkeit, sondern der langen Reihe von Jahren, die sie in der betreffenden Stellung ver­bracht haben, zum noch grösseren Teile aber weniger ihrer kauf­männischen Thätigkeit, als ihrem Geschmack und ihrer Dispositionsgabe. Es schlägt also diese ihre Befähigung mehr in die unterstützende ge­werbliche Hilfsthätigkeit ein. Von den 9032 kaufmännisch angestellten Hilfskräften, die am 1. Januar 1896 in München unter 2000 M. Gehalt bezogen, waren 4661 männlich und 4371 weiblich, unter diesen aber nur 2442 Männer, d. s. 52 Proz. und 940 weibliche Kräfte, d. s. 21 Proz., die als Kontoristen, Buchhalter, Korrespondenten u. s. w. im Gegensatz zu den reinen Verkäufern arbeiteten. Nur ein Fünftel aller weiblichen kaufmännischen Hilfsarbeiter kann also zu schrift­lichen Arbeiten herangezogen werden, während die Masse der weib­lichen Hilfsarbeiter sich mit der allgemeinen Volksschulbildung begnügt und aus Zeit-, Kosten- und Bequemlichkeitsrücksichten die Ausbildung in den kaufmännischen Fächern vermeidet. Wie sich im Einzelnen diese gebildeten weiblichen Hilfskräfte in den handelsgewerblichen Berufszweigen verteilen, ist beachtenswert. In einer bedeutsamen Bank Münchens sind z. Z. neben 37 Herren, 25 Damen angestellt; hier­unter sind 19 Herren, die über 2000 M. Gehalt beziehen, wogegen 18 Herren und sämtliche Damen sich im Einkommen unter 2000 M. jährlich stellen. Eine andere hervorragende Bank beschäftigt 160 Herren und 25 Damen, das sind nur 15 Proz. Beide sind Aktien­gesellschaften; aber auch in Privatbanken hat die weibliche Arbeits­kraft Eingang gefunden; so hat ein angesehenes Privatbankgeschäft 24 männliche und 34 weibliche Hilfsarbeiter, letztere überragen also

*) Julius Meyer u. J. Silbermann, a. a. O. S. 270 f.