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Werfen wir an der Hand dieser Zahlen einen Blick auf unsere An­gestellten und fragen wir, wie sich ihre Lage im Vergleich zu diesen Aufstellungen gestaltet, so zeigt es sich, dass:

41 Angestellte 80 M. und mehr Einkommen hatten, also nach Massgabe von Budget A. gut auskommen konnten,

79 Angestellte 5080 M. Einnahme und nach Budget B. ein bescheidenes oder ein leidlich gutes Auskommen hatten,

73 Angestellte aber weniger als 50 M. monatlich Einkommen hatten, und darum nur ein sehr kümmerliches Leben führen konnten oder auf die Unterstützung anderer angewiesen waren.

Man beurteilt die geringere Entlohnung der Frauenarbeit gegenüber der Männerarbeit oft dahin, dass die Frau keine Familie zu erhalten habe, doch trifft dies heutzutage nicht immer zu. Wir haben eine ge­schiedene und zwei von den Männern verlassene Frauen, die Kinder er­nähren müssen. Eines unserer Mitglieder ist Witwe und sichert durch Berufstätigkeit ihren vier Kindern die Erziehung, die alte Mutter mit bescheidener Pension versorgt die Kinder in Abwesenheit der Frau. Ein anderes Mitglied ist mit seinem guten Gehalt, das es grosser Befähigung verdankt, die Haupterhalterin der ganzen Familie, ln einem weiteren Falle sind es zwei Schwestern, die mit ihren gemeinsamen Einnahmen die kränkliche Mutter und die jüngere Schwester erhalten müssen. Jedenfalls müsste man wenigstens fordern, dass die Frauen und Mädchen, die im kaufmännischen Berufe vom frühen Morgen bis zum späten Abend ihre ganze Kraft einsetzen, von ihrem Verdienst leben könnten; nach unseren Berechnungen aber sind es 37,82 Prozent, die nicht auskömmlich leben können. Und diese ernste Thatsache beweist, dass es mit der Lage der Handlungsgehilfinnen in Leipzig schlimm bestellt ist und dass die Hebung ihres Standes nach jeder Richtung hin die Aufgabe einer energischen Vereinsthätigkeit sein muss.

Wenn die Frau auch im Handel und Gewerbe, selbst bei gleichen Leistungen weniger Lohn erhält als der Mann, so ist das eine Er­scheinung, die wir auch in andern Berufszweigen finden. Zum Teil wird die Entlohnung der Frau aber auch durch den starken Andrang unzureichend gebildeter junger Mädchen zu allen möglichen Erwerbs­gelegenheiten herabgedrückt. Dieser Druck ist stärker als die Gehalts­unterbietungen der nicht minder zahlreichen unzureichend gebildeten männlichen Gehilfen. Überhaupt ist die Frau gegen Druck auf den Lohn weniger widerstandsfähig als der Mann. Die Frau ist zu jung in der kaufmännischen Laufbahn, als dass bei ihr das Klassen­bewusstsein, das nicht einmal bei den männlichen Gehilfen hinreichend ausgebildet ist, wirksam sein könnte.

Soweit der Druck auf das Gehalt von den Geschäftsinhabern ausgeht, gründet er sich darauf, dass die Bedürfnisse der Frau geringer seien als die des Mannes. Gewiss ist die Frau in der Lage, in mancher Hinsicht durch Herstellung und Instandhaltung ihrer Garderobe, durch Anschluss an Familienpensionen u. s. w. billiger zu wirtschaften als der Mann. So erheblich sind diese Ersparnisse aber nicht, um den Abstand in den Gehaltsverhältnissen zu rechtfertigen.Ein grosser Teil der Schuld, heisst es in einer bereits erwähnten Schrift,*) liegt

*) Julius Meyer u. J. Silbermann, a. a. O. S. 273. Kellen, Die Frauen im Handel und Gewerbe

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